Die Geg­ner der Ener­gie­wende

Zeitschrift Sonne Wind & Wärme
erschienen in Sonne Wind & Wärme 06/2013, S.10-14

Viele wurden Ende Januar durch die Vor­schläge von Bundes­umwelt­minister Altmaier zur Ein­führung einer Strompreis-Sicherung kalt erwischt. Diese hätten den Ausbau erneuerbarer Anlagen zur Stromerzeugung nahezu zum Erliegen bringen können. Auch wenn die Vorschläge inzwischen wieder vom Tisch sind, ist der nächste Vorstoß gegen die erneuerbaren Energien schon bald wieder zu erwarten.

Die Bundesregierung hatte nach der Reaktorkatastrophe von Fukushima im März 2011 die politische Notwendigkeit der Energiewende erkannt. Eine Herzensangelegenheit war die Energiewende aber von Anfang an nicht. Erinnern wir uns: Im Herbst 2010 hatte die Bundesregierung nach langjähriger politischer Lobbyarbeit der großen vier Energiekonzerne EnBW, Eon, RWE und Vattenfall erst eine kräftige Laufzeitverlängerung der Kernkraftwerke beschlossen, obwohl diese mit dem Bekenntnis zum weiteren Ausbau erneuerbarer Energien unvereinbar war. Dabei hatten diese Energiekonzerne im Jahr 2000 mit der damaligen rot-grünen Bundesregierung ein Ausstiegsgesetz vereinbart. Wirklich ernst gemeint hatten sie diese Vereinbarungen offenbar nicht. Ihr Engagement im Bereich der erneuerbaren Energien blieb mehr als bescheiden. Während im Bundesdurchschnitt im Jahr 2011 ca. 20 % und im Jahr 2012 bereits 22 % der Stromversorgung in Deutschland durch erneuerbare Energien gedeckt wurden, kamen die großen Vier gerade einmal auf Werte zwischen 4 und 11 %. Rechnet man die alten, zum Teil schon seit Jahrzehnten existierenden, Wasserkraftwerke heraus, beschränkt sich das regenerative Engagement der Energieriesen gerade einmal auf 0,5 bis 2 % – trotz Ausstiegsbeschluss und Klimaschutzbekenntnissen.

Anteile an der Stromerzeugung nach einer vollständigen Energiewende, gemittelt in Deutschland und bei den großen vier Energiekonzernen im Jahr 2011
Abb. 1: Anteile an der Stromerzeugung nach einer vollständigen Energiewende, gemittelt in Deutschland und bei den großen vier Energiekonzernen im Jahr 2011
Konzept für Laufzeitverlängerung immer noch gültig

Eine echte Ausstiegsstrategie sieht anders aus. "Nach Rot-Grün kommt irgendwann wieder Schwarz-Gelb und dann wird alles rückgängig gemacht," war offenbar die Devise. Und diese Strategie hatte mit den Laufzeitverlängerungen von 2010 schließlich auch Erfolg, bis kurze Zeit später die Reaktorkatastrophe von Fukushima die Energiekonzerne und die Bundesregierung kalt erwischte. Obwohl das Kabinett sich kernkrafttechnisch vom Saulus zum Paulus wandelte, wurde ihr Energiekonzept nie an den erneuten Ausstiegsbeschluss für das Jahr 2022 angepasst.

Das schwarz-gelbe Energiekonzept sieht weiterhin nur einen Anteil von 35 % an regenerativen Energien bis zum Jahr 2020 vor. Wenn man von einem gleichbleibenden Strombedarf ausgeht, können die erneuerbaren Energien damit gerade einmal die wegfallende Stromerzeugung der Kernkraftwerke ersetzen. Der Anteil fossiler Kraftwerke würde folglich konstant bleiben – obwohl sich die Bundesregierung international vollmundig für einen wirksamen Klimaschutz einsetzt. Dass sich die Kohlendioxidemissionen bei gleichbleibendem Anteil fossiler Kraftwerke nicht signifikant reduzieren lassen, müsste eigentlich jeder Laie nachvollziehen können. Konsequenterweise hätte das Ziel für regenerative Kraftwerke bis 2020 auf mindestens 50 % angehoben werden müssen.

Bisherige Deckung der Stromerzeugung in Deutschland und Prognose anhand des Energiekonzepts der Bundesregierung
Abb. 2: Bisherige Deckung der Stromerzeugung in Deutschland und Prognose anhand des Energiekonzepts der Bundesregierung
70 GW PV und Braunkohle passen nicht zusammen

Stattdessen wurden weiterhin neue fossile Anlagen wie der 2,2-GW-Braunkohlkraftwerksneubau Neurath im August 2012 von RWE in Betrieb genommen. Hier zeigt sich aber die Achillesferse der Strategie der großen Vier. Ihr Kraftwerkspark kommt mit einem weiteren schnellen Wachstum von Solar- und Windkraftanlagen nicht zurecht.

Bislang verdrängen Solar- und Windkraft noch vor allem Mittel- und Spitzenlastkraftwerke auf Erdgas- oder Steinkohlebasis. Am 28. Mai 2012 waren in Deutschland 28 GW Photovoltaik installiert, die mittags bereits ca. 40 % des Strombedarfs deckten und sämtliche Steinkohle und Gaskraftwerke aus dem Netz verdrängten. Bei einem Ausbau der installierten Leistung auf 50 GW hätten am gleichen Tag bereits die bestehenden Kernkraft- und Braunkohle-Grundlastkraftwerke auf die Hälfte gedrosselt werden müssen. Bei 70 GW Photovoltaik würde die Solarenergie mittags sogar den gesamten Strombedarf decken.

Regelbare Gaskraftwerke sind billiger als Netzausbau

Grundlastkraftwerke sind generell nur in engen Grenzen regelbar. Ein Abschalten aller Grundlastkraftwerke am Vormittag und das Wiederanfahren am Nachmittag ist nicht möglich. Wer eine ambitionierte Energiewende verfolgt und einen wirksamen Klimaschutz erreichen möchte, müsste dafür eine sinnvolle Lösung anbieten. Diese kann im Prinzip nur auf einen weiteren Ausbau der Photovoltaik und Windkraft und noch kürzere Restlaufzeiten für Kernkraftwerke und einen Ausstieg aus der Braunkohlenutzung in Deutschland hinauslaufen.

Die schwankende Erzeugung von Photovoltaik- und Windkraftanlagen wäre dann aber nicht in der Lage, die Versorgungssicherheit zu garantieren. Dazu wären neue schnell regelbare Reservekraftwerke auf Erdgasbasis nötig. Diese könnten längerfristig statt mit Erdgas mit erneuerbarem Methan klimaneutral betrieben werden.

Gaskraftwerke haben niedrige Investitionskosten von ca. 500 €/kW und lassen sich vergleichsweise schnell errichten. Der Aufbau über Deutschland verteilter Reservekapazitäten von 20 GW würde gerade einmal 10 Mrd. € kosten. Im Vergleich zu den geplanten Kosten für den umstrittenen Netzausbau wäre das ein echtes Schnäppchen. Statt diesen Weg voranzutreiben, werden derzeit in Deutschland aber sogar Gaskraftwerke stillgelegt.

Die Strategie der Bundesregierung ist offensichtlich eine andere. Bereits mit der letzten EEG-Novelle wurde ein Deckel für die Photovoltaik bei 52 GW beschlossen. Ab dieser installierten Leistung erhalten neue Solarkraftwerke gar keine EEG-Vergütung mehr und sind damit schlechter als die Kern- oder Kohlekraftwerke gestellt, die im Rahmen der Energiewende doch eigentlich durch regenerative Anlagen ersetzt werden sollen. Um nicht außerhalb des EEG zusätzliche größere Photovoltaikkapazitäten zu riskieren, enthielt der bislang nicht erfolgreiche Altmaier-Vorschlag zur Strompreisbremse zudem eine Umlage auch auf ungeförderte Eigenverbrauchsanlagen. Da der 52-GW-Deckel schon in zwei oder drei Jahren erreicht werden könnte und damit schon vor dem Ende der Kernenergienutzung Probleme für die Energieversorger verursachen würde, ist eine weitere Drosselung des Solarenergiezubaus ebenfalls Ziel des Vorstoßes. Da der Windenergiezubau an Land auch schon bedrohliche Leistungen angenommen hat, steht er gleich mit auf der Abschussliste.

Stromerzeugung durch Photovoltaik- und Windkraftanlagen sowie Erzeugungseinheiten größer 100 MW am 27. Mai 2012 in Deutschland mit einer installierten Photovoltaikleistung von 28 GW
Abb. 3: Stromerzeugung durch Photovoltaik- und Windkraftanlagen sowie Erzeugungseinheiten größer 100 MW am 27. Mai 2012 in Deutschland mit einer installierten Photovoltaikleistung von 28 GW. Daten: EEX Transparency
Theoretische Stromerzeugung am 27. Mai 2012 bei einer installierten Photovoltaikleistung von 50 GW
Abb. 4: Theoretische Stromerzeugung am 27. Mai 2012 bei einer installierten Photovoltaikleistung von 50 GW
Theoretische Stromerzeugung am 27. Mai 2012 bei einer installierten Photovoltaikleistung von 70 GW
Abb. 5: Theoretische Stromerzeugung am 27. Mai 2012 bei einer installierten Photovoltaikleistung von 70 GW
EEG-Umlage künstlich in die Höhe getrieben

Während die Energieriesen und die Politik lange Zeit die erneuerbaren Energien unterschätzt haben und durch Fukushima kalt erwischt wurden, haben sie nun offensichtlich eine neue Strategie. Um die Drosselung des Solar- und Windenergiezubaus politisch durchsetzen zu können, wurde seit Monaten das Kostenargument gegen den Ausbau erneuerbarer Energien in Szene gesetzt. Investitionen in den Umbau der Energiewende führen erst einmal zwangsläufig zu steigenden Strompreisen, die sich größtenteils in der EEG-Umlage wiederfinden. Zusätzlich sorgt der schnelle Ausbau der erneuerbaren Energien für einen negativen Rückkopplungseffekt. Da der Bedarf an konventionellem Strom rückläufig ist, sinken auch die Preise an der Strombörse.

Da sich die EEG-Umlage aus der Differenz von den Kosten der erneuerbaren Energien zum fallenden Referenzpreis berechnet, steigt als Konsequenz auch die EEG-Umlage noch schneller an. Der Staat verteuert den Anstieg noch einmal mit der Mehrwertsteuer. Eine Befreiung großer Teile der Industrie von der EEG-Umlage führt zu einer weiteren Steigerung, da sie nun auf weniger Stromkunden umgelegt werden muss. Die volle Bandbreite der künstlich nach oben getriebenen EEG-Umlage wurde durch die Energieversorger direkt an die Haushalte und Gewerbekunden weitergegeben. Die Kosten für die Industrie fielen hingegen. EEG-befreite Unternehmen können sich inzwischen zu den Preisen aus dem Jahr 2005 an der Strombörse eindecken. Inflationsbereinigt kommt dies einer Kostensenkung um über 12 % gleich. Möglichkeiten, diese Ungleichgewichte beispielsweise durch eine Reparatur des nicht funktionierenden Kohlendioxidzertifikatehandels auszugleichen und nicht auch noch durch eine Mehrwertsteuer auf die EEG-Umlage zu verschärfen, hätte es für die Regierung durchaus gegeben. Offenbar wurde aber darauf bewusst verzichtet, um den politischen Druck für eine Durchsetzung der in der Strompreis-Sicherung versteckten Zubaudämpfung für erneuerbaren Energien zu erzeugen.

Der Showdown ist unvermeidlich

Dass eine Bundesregierung ein Ausbremsen der Energiewende zugunsten der großen Energiekonzerne durchsetzen kann, ist allerdings noch keine ausgemachte Sache. Zum einen profitieren auch viele Bundesländer vom Ausbau der erneuerbaren Energien und werden zu große Einschnitte nicht mittragen. Sich zu sehr auf die Länder zu verlassen, ist andererseits auch ein gewagtes Spiel, denn auch dort ist der Einfluss der Energiekonzerne nicht zu unterschätzen. Um eine sinnvolle Energiewende mit funktionierendem Klimaschutz durchzusetzen, müssen alle Bürger von den Widersprüchen der Energiewende informiert werden.

Politisch müssen ein Braunkohleausstieg und ein Markteinführungsprogramm für Gaskraftwerke durchgesetzt werden. Das könnte durch eine einfache Umlage auf Kohlebrennstoffe erfolgen, die dann auch zur Stabilisierung der EEG-Umlage dienen kann. Damit lassen sich die Konkurrenzsituation und die Blockade zwischen den regenerativen und den Grundlastkraftwerken beseitigen.

Werden dann auch noch die Lasten gerecht verteilt, dürfte ein Großteil der Bevölkerung eine echte und schnelle Energiewende weiterhin unterstützen. Ob es die Energiekonzerne unter diesen Rahmenbedingungen schaffen, auch langfristig im Markt noch eine wichtige Rolle zu spielen, bleibt offen. Sie haben lange Zeit mit der Verweigerung der Energiewende einen sehr hohen Einsatz gespielt. Wer hoch pokert kann aber am Ende auch stark verlieren.

Auch für die regenerativen Energien in Deutschland steht viel auf dem Spiel. Nicht wenige Unternehmen der regenerativen Branche in Deutschland stehen am Abgrund. Ein Großteil des Know-hows droht an Unternehmen in Ländern wie China verlorenzugehen. Hier hat man längst die strategische Bedeutung des Zukunftsmarktsder regenerativen Energien erkannt und wird nicht durch Blockaden wie in Deutschland behindert. Der Showdown in Deutschland zwischen Energiekonzernen und den erneuerbaren Energien ist aber wohl unvermeidlich.

Volker Quaschning

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