Sonne Wind & Wärme
Ziel verfehlt

erschienen in Sonne Wind & Wärme 06/2006 S.32-36

Das bereits vor der deutschen Wieder­vereini­gung gesteckte Klima­schutz­ziel wurde verfehlt. Die Redu­zierung des CO2-Ausstoßes um 25% bis zum Jahr 2005 ist nicht gelungen. Nun sollen CO2-freie Kohlekraftwerke das Klima retten.



CO2-Schleuder Kohlekraftwerk
Abtrennung und Endlagerung von Kohlendioxid sollen Kohlekraftwerke klimaverträglich machen, werden aber die Kosten von Kohlestrom deutlich über die von regenerativen Kraftwerken treiben.

Knapp 20 Jahre ist es her, dass sich der deutsche Bundestag erstmals im Rahmen einer Enquete-Kommission intensiv mit den Folgen des Klimawandels beschäftigte. Die Klimaforscher formulierten bereits damals Reduktionsziele, die Industriestaaten einhalten müssen, um das Klima zu schützen. Die Emissionen von Kohlendioxid (CO2) sollten um 25% bis zum Jahr 2005, um 50% bis zum Jahr 2020 und gar um 80% bis zum Jahr 2050 im Vergleich zum Referenzjahr 1990 gesenkt werden. Das erste Etappenziel (25% Reduktion bis zum Jahr 2005) wurde von der Regierung Kohl als Regierungsziel übernommen und nach der Wiedervereinigung von Westdeutschland auf Gesamtdeutschland ausgedehnt.
Immerhin sind die deutschen CO2-Emissionen bis zum Jahr 2005 um 17% gesunken [1]. Der Löwenanteil dieser Reduktion ist jedoch auf Wiedervereinigungseffekte zurückzuführen. In den neuen Bundesländern wurde ein Großteil der Industrie still gelegt. Auf rund die Hälfte halbierte sich dort der Ausstoß an Treibhausgasen, während sich in Westdeutschland nicht viel änderte (Grafik 1). Nach dem Regierungswechsel übernahm die rotgrüne Bundesregierung die weiteren Klimaschutzetappen bis zum Jahr 2050. Doch die Bilanz ist nicht zufrieden stellend.

Entwicklung der energiebedingten Kohlendioxidemissionen in Deutschland
Grafik 1: Entwicklung der energiebedingten Kohlendioxidemissionen in Deutschland

Alle politischen Anstrengungen der Bundesregierung trugen insgesamt weniger zur Senkung des CO2-Ausstoßes bei als die Energieeinsparungen der Bevölkerung wegen des hohen Ölpreises im Jahr 2005. Beim jüngst veranstalteten Energiegipfel der Bundesregierung war das Einhalten der bisherigen Klimaschutzziele nicht mehr wesentlicher Gegenstand der Diskussion.
Auf internationaler Bühne hatte Deutschland bereits im Jahr 1997 seine Klimaschutzziele relativiert. Die damalige Umweltministerin Angela Merkel vereinbarte im Rahmen des Kyoto-Protokolls (siehe Kasten) lediglich ein Reduktionsziel für Treibhausgase von 21% bis zum Jahr 2012. Da die Berechnungen für das Kyoto-Protokoll neben Kohlendioxid auch andere Klimagase berücksichtigen, sind die Chancen deutlich besser, dass Deutschland wenigstens dieses Ziel erreichen wird. Insbesondere die Emission von Methan ist wegen der verbesserten Mülltrennung und Deponiegasgewinnung rückläufig.

Der Trend weist unerbittlich nach oben

Das Urteil für die meisten anderen Länder fällt katastrophal aus. Lediglich die ehemaligen Staaten des Warschauer Paktes konnten - bedingt durch wirtschaftliche Verwerfungen - signifikante Rückgänge der Treibhausgasemissionen melden. Ansonsten weist der Trend der meisten Staaten kontinuierlich nach oben. Hier haben nur die Wenigsten realistische Chancen, die Ziele des Kyoto-Protokolls einzuhalten (Tabelle 1 und 2). Schwellenländer wie Indien und China steigerten aufgrund ihres starken Wirtschaftswachstums den Ausstoß von Klimagasen enorm und treiben die weltweiten Emissionen noch weiter nach oben (Tabelle 3, Grafik 2).
Immerhin hat sich in den vergangenen Jahrzehnten doch etwas bewegt. Das Problem der fortschreitenden globalen Erwärmung ist in der Politik angekommen. Selbst die US-Regierung bestreitet nicht mehr, dass ein Klimawandel droht. Nur an dessen Bekämpfung möchte man derzeit noch nicht mitwirken. Eine immer raschere Abfolge von klimabedingten Naturkatastrophen wird aber auch in den jetzt noch zurückhaltenden Ländern ein Umdenken erzwingen.


Tabelle 1: Reduktionsverpflichtungen der im Kyoto-Protokoll aufgeführten Vertragsparteien (in der Reihenfolge ihrer Verpflichtungen) uns bisherige Veränderung zwischen 1990 und 2003. Die Treibhausgasemissionen sind CO2-Äquivalente ohne Landnutzungsänderung und Forstwirtschaft. (Quelle: [3])
Ver­trags­parteienTreib­haus­gas­emissionen in CO2-Äqui­va­lenten
Ver­pflichtung1990
in Mt
2003
in Mt
Veränderung
EU15 *a-8%4.2384.180-1,4%
Europa-Ost *b-8%808478-40,8%
Schweiz *c-8%5353-0,3%
USA-7%6.0836.894+13,3%
Japan-6%1.1871.339+12,8%
Kanada-6%596740+24,2%
Polen, Ungarn-6%687453-34,0%
Kroatien-5%3230-6,0%
Neuseeland0%6275+22,5%
Weiß­russland0%12972-44,4%
Russland0%3.0471.873-38,5%
Ukraine0%979527-46,2%
Norwegen+1%5055+9,3%
Australien+8%418515+23,3%
Island+10%33-8,2%
Summe-5,2%18.37217.288-5,9%
*a inkl. Monaco
*b Europa-Ost: Bulgarien, Estland, Lettland, Litauen, Rumänien, Slowakei, Slowenien, Tschechien
*c inkl. Liechtenstein
Tabelle 2: Reduktionsverpflichtungen der EU-Länder (Quelle: [3])
Ver­trags­parteienTreib­haus­gas­emissionen in CO2-Äqui­va­lenten
Ver­pflich­tung1990
in Mt
2003
in Mt
Veränderung
Luxemburg-28%1311-16,1%
Deutsch­land-21%1.2441.018-18,2%
Dänemark-21%7175+6,7%
Österreich-13%7992+16,5%
Groß­britannien-12,5%748651-13,0%
Belgien-7,5%146148+1,3%
Italien-6,5%511570+11,5%
Nieder­lande-6%212215+1,5%
Frankreich0%568557-1,9%
Finnland0%7086+21,5%
Schweden+4%7271-2,3%
Irland+13%5468+25,6%
Spanien+15%284402+41,7%
Griechen­land+25%109138+25,8%
Portugal+27%5981+36,7%
Summe-8%4.2384.180-1,4%

Tabelle 3: CO2-Ausstoß ausgewählter Schwellenländer im Jahr 2003 (Quelle: [2])
Schwel­len­länder (Auswahl)CO2-Emis­sionen in Mt
China3.541
Indien1.025
Südkorea470
Südafrika411
Mexiko405
Iran372
Brasilien351
Indonesien318


CO2-Emissionen von Schwellenländern
Grafik 2: CO2-Emissionen von Schwellenländern

Das Kyoto-Protokoll

Im Jahr 1997 wurde auf der 3. Vertragsstaatenkonferenz der Unterzeichner der UN-Klimarahmenkonvention in der japanischen Stadt Kyoto das Kyoto-Protokoll vereinbart. Es verpflichtet alle in Tabelle 1 aufgeführten Vertragsparteien, ihre Emissionen an Treibhausgasen im Mittel um 5,2% bis spätestens zum Jahr 2012 zu senken. Dabei gelten für einzelne Staaten unterschiedliche Beschränkungen. Die Ziele der einzelnen EU-Länder von 1997 sind ebenfalls verschieden. Beispielsweise muss Deutschland seine Emissionen um 21% reduzieren, während Griechenland um 25% zulegen darf. Im Mittel müssen die EU-Länder eine Reduktion von 8% erreichen.
Neben Kohlendioxid (CO2) werden noch folgende Treibhausgase berücksichtigt und gemäß ihrer Klimaschädlichkeit in Kohlendioxidäquivalente umgerechnet: Methan (CH4), Distickstoffoxid (Lachgas, N2O), Teilhalogenierte Fluorkohlenwasserstoffe (H-FKW/HFC), Perfluorierte Kohlenwasserstoffe (FKW/PFC) und Schwefelhexafluorid (SF6). Als Reduktionen lassen sich auch Maßnahmen anrechnen, die in anderen Ländern initiiert werden. Für Entwicklungs- und Schwellenländer, die nicht in Tabelle 1 genannt sind, sieht das Kyoto-Protokoll keine Beschränkungen vor. Im Jahr 2005 trat das Kyoto-Protokoll in Kraft, nachdem es mit Ausnahme von Australien, Kroatien, Monaco und den USA von den Vertragsstaaten unterzeichnet wurde.
Erprobung CO2-freier Kohlekraftwerke

Im Zeichen der weltweit steigenden Energiepreise wirbt die Kohleindustrie für Kohlendioxid-Sequestrierung und CO2-freie Kohlekraftwerke. Mit diesen beiden Zugpferden sollen Politiker und Bevölkerung überzeugt werden.
Die Zielsetzung ist klar: Das bei der Verbrennung fossiler Energieträger (insbesondere Kohle und Erdgas) anfallende Kohlendioxid wird abgetrennt, gesammelt und sicher endgelagert. Die technischen Grundlagen zur Abtrennung von Kohlendioxid wurden in den vergangenen Jahren weiterentwickelt. Im Gegensatz zur Kernfusion erscheint eine schnelle Markteinführung denkbar. Kraftwerks-Prototypen sollen in Kürze errichtet werden. Die CO2-Abtrennung vermindert jedoch den Kraftwerkswirkungsgrad und treibt dadurch die Stromerzeugungskosten in die Höhe.
Deutlich schwieriger als die CO2-Abtrennung erscheint die weltweite sichere Endlagerung. Zurzeit werden verschiedene Konzepte diskutiert (Grafik 3). Nahe liegend ist das Verpressen von Kohlendioxid in ehemalige fossile Lagerstätten (z.B. ausgebeutete Erdgasfelder). Eine sichere Endlagerung erscheint hier durchaus möglich, zumal die nötige Endlagerzeit im Gegensatz zu Atommüll nicht mehrere Millionen Jahre beträgt, sondern gut tausend Jahre ausreichend sind (weil in spätestens 200 Jahren die fossilen Energieträger ohnehin erschöpft sind). Kleinere Mengen Kohlendioxid könnten auf diese Weise lokal entsorgt werden.
Für einen wirksamen Klimaschutz müsste jedoch sämtliches Kohlendioxid aller fossilen Kraftwerke gesammelt werden. Dann wären lokale Endlager schnell erschöpft und es müsste analog zu den heutigen Erdgasverteilungsnetzen ein gigantisches CO2-Entsorgungsnetz bis hin zu weit entfernten Endlagerstätten errichtet werden. Das würde die Stromgestehungskosten aus fossilen Brennstoffen mehr als verdoppeln.
Kostensparender erscheint aus heutiger Sicht die Verklappung von CO2 im Meer oder die Verpressung in der Tiefsee. Durch den hohen Wasserdruck soll das CO2 über Jahrhunderte dort verbleiben, was von Kritikern bezweifelt wird. Außerdem würde ein neues Umweltproblem entstehen: Denn durch die Verklappung in den Ozeanen wird die Versauerung des Meerwassers zunehmen und wiederum unabsehbare Umweltschäden verursachen.
Es gibt auch die Idee, Algen zu füttern, die sich von Kohlendioxid ernähren und nach ihrem natürlichen Tod in die Tiefe sinken. Auch dieses Verfahren ist noch nicht ausreichend erforscht. Es ist auch geplant, in Fabriken das CO2 zu Baustoffen umwandeln, was aufgrund der gigantischen Mengen an CO2 aber bestenfalls mit einem Teil der Emissionen möglich wäre.
Auf den ersten Blick ist die Idee der Kohlendioxidabtrennung und Endlagerung durchaus bestechend. Die Befürworter wollen damit sogar den CO2-Gehalt der Atmosphäre verringern. Biomasse bindet während ihres Wachstums CO2, das im Kraftwerk abgetrennt und endgelagert wird. Doch das ändert nichts daran, dass es sich um ein extrem kostspieliges Verfahren handelt.

Konzepte zur Endlagerung von Kohlendioxid
Grafik 3: Konzepte zur Endlagerung von Kohlendioxid
Vorfahrt für regenerative Energien

Die Idee der CO2-freien Kraftwerke macht nur Sinn, wenn alle Nationen der Erde diese Technik anwenden. Während das Sammeln von CO2 in zentralen Kraftwerken wenigstens noch vorstellbar ist, ist dieses Klimaschutzinstrument auf Verbrennungsmotoren in Autos oder Millionen dezentraler Heizsysteme überhaupt nicht anwendbar.
Eine wirkliche Alternative für einen globalen Klimaschutz bieten weder die Kernenergie noch die CO2-freien Kraftwerke. Sie können die CO2-Emissionen nur in relativ geringem Umfang verringern, werden aber die Energiepreise deutlich verteuern. Eine klimaverträgliche Energieversorgung auf Basis regenerativer Energien wird sich jedoch schneller umsetzen lassen, als selbst viele Optimisten heute prognostizieren. Es sieht so aus, als ob der hohe Ölpreis die Trendwende bereits ausgelöst hat.

Literatur

[1] Ziesing, Hans-Joachim: CO2-Emissionen in Deutschland im Jahr 2005 deutlich gesunken. DIW Wochenbericht 12/2006, S.153-162
[2] DOE, US-Department of Energy: Annual Energy Review, verschiedene Jahrgänge
[3] UNFCCC: National greenhouse gas inventory data. www.unfccc.de

Volker Quaschning

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