Photovoltaik, die neue Solarthermie?

Dieses Inter­view ist auf dem Portal photovoltaik.eu 05.11.2012 erschienen.

Volker Quaschning, Professor für Regenerative Energien an der Hochschule für Technik und Wirtschaft (HTW) Berlin, wird auf dem 13. Forum Solarpraxis am 22./23. November 2012 über das Thema Heizen mit Photovoltaik referieren. Bereits im Vorfeld erläutert er, warum die Photovoltaik der Solarthermie binnen kurzer Zeit den Rang ablaufen könnte.

Photovoltaik, die neue Solarthermie? Sie sprechen auf dem 13. Forum Solar­praxis zum Thema "Photo­voltaik, die neue Solar­thermie?" Was ist Ihre Kern­these?

Wenn wir es mit dem Klimaschutz ernst meinen, müssen wir unsere Energieversorgung bis zum Jahr 2040 weitgehend kohlendioxidfrei gestalten. Das bedeutet, wir müssen bis dahin eine Energieversorgung aufbauen, die vollständig auf erneuerbaren Energien basiert. Die Photovoltaik hat bewiesen, dass beim Zubau eine große Dynamik möglich ist. Für den Klimaschutz sollten wir weiterhin sieben bis acht Gigawatt pro Jahr zubauen, auch wenn das Teile der Politik und die großen Energiekonzerne nicht gerne hören. Im September 2012 wurde knapp ein Gigawatt an Photovoltaik-Leistung in Deutschland installiert. Für die gleiche Leistung hat die Solarthermie das ganze Jahr 2011 benötigt.

Welche Folgen hat das?

Gelingt es bei der Solarthermie nicht, die Installationszahlen in kurzer Zeit zu verzehnfachen, wird die Photovoltaik aushelfen müssen. Ein wesentlicher Vorteil der Photovoltaik ist, dass sie sich weitgehend über den elektrischen Eigenverbrauch rechnet und die Wärme ein Abfallprodukt ist, das deswegen auch schneller zu Öl und Gas konkurrenzfähig werden wird als die Solarthermie.

Also Sie plädieren dafür, mit Solarstrom zu heizen. Ab wann und warum ist das sinnvoll?

Die Bundesregierung hat einen 52 Gigawatt-Deckel für die Photovoltaik beschlossen und ist auch noch stolz darauf. Nach dem jetzigen EEG erhält die Photovoltaik dann keinerlei Einspeisevergütung mehr. Ende September 2012 waren bereits 31 Gigawatt am Netz. Der Deckel könnte also schnell zum Greifen kommen. Danach rechnen sich nur noch Eigenverbrauchssysteme. Anlagen in vernünftiger Größe werden sich dann aber kaum ohne Speicher wirtschaftlich betreiben lassen. Da die Preise für Batteriesysteme derzeit noch viel zu hoch sind, liegt es nahe, günstige thermische Speicher mit zu nutzen. Die erste Priorität wird weiterhin im Eigenverbrauch des Solarstroms liegen. Wärme werden wir nur mit Überschüssen erzeugen, die nicht direkt verbraucht werden können.

Der Titel ihres Vortrags ist ziemlich provokativ. Sie sind schon länger bekannt für die Aussage, dass es sinnvoll sein kann, mit Solarstrom zu heizen. Innerhalb der Solarbranche ist das durchaus ein sehr viel diskutiertes Thema. Welche Reaktionen bekommen Sie?

Das ist unterschiedlich. Vertreter der Photovoltaik sagen: Klingt logisch, warum eigentlich nicht. Anhänger der Solarthermie reagieren hingegen recht empfindlich und verteufeln das als energietechnischen Sündenfall. Manche sind auch einfach nur nachdenklich und verunsichert. Ich sehe aber auch für die Solarthermie große Chancen, wenn sich durch die Photovoltaik die Installationszahlen erhöhen. Dem Installateur kann es letztendlich egal sein, ob er einen Kollektor oder eine Photovoltaik-Anlage an den Wärmespeicher anschließt.

Wie sollte man mit Solarstrom heizen - direkt oder mit einer Wärmepumpe?

Die zusätzlichen Investitionen für die Anbindung an das Heizungssystem müssen niedrig sein, damit das Solarsystem gegen die Brennstoffe Heizöl oder Erdgas konkurrieren kann. Das solare Heizen mit einer Wärmepumpe ist dann interessant, wenn die Wärmepumpe ohnehin schon geplant ist oder gar schon existiert. Ansonsten spricht auch viel für die Direktheizung. Ein Heizstab ist in der Anschaffung einfach viel billiger als eine Wärmepumpe.

Warum sind die Aversionen gegen die Wärmepumpe in manchen Teilen der Solarbefürworter so groß?

Elektrisches Heizen galt lange Zeit als böse. Elektroheizungen wurden ursprünglich eingeführt, um nachts Atomkraftwerke besser ausnutzen zu können. Aus dem Grund war auch für mich eine Elektroheizung bis vor kurzem ein völliges Tabu. Wenn wir die Atomkraftwerke in wenigen Jahren durch die Photovoltaik verdrängt haben, kann aber elektrisches Heizen wieder gut werden. Entscheidend ist, woher der Strom dafür kommt.

Gibt es noch berechtigte Gründe für solche Aversionen?

Wichtig ist, wie gesagt, woher der Strom für die Wärmepumpe kommt. Wird der von einem Stromversorger mit einem hohen Kohlestromanteil bezogen, ist die Umweltbilanz einer Wärmepumpe meist nicht besser als von einem Gas-Brennwertkessel. Bei grünem Strom gibt es hingegen deutliche Vorteile für die Wärmepumpe. Eine weitere offene Flanke der Wärmepumpe sind die eingesetzten Kältemittel. Hier werden fast ausschließlich extrem klimaschädliche Fluorkohlenwasserstoffe (FKW) verwendet, was ich bereits seit Jahren kritisiere. An diesem Punkt würde ich mir von den Wärmepumpenherstellern die Übernahme von mehr Verantwortung wünschen. Kühlschränke lassen sich auch ohne klimaschädliche FKW betreiben. Wenn man will, geht das auch mit der Wärmepumpe.

Ist die Diskussion nicht schon lange darüber hinweg, weil die Systeme einfach verkauft werden? Haben Sie einen Eindruck davon, wie sich der Markt "Solar betriebene Wärmepumpen" entwickelt?

Die Riesenchance beim Heizen mit der Photovoltaik ist, dass wir schon bald Märkte haben werden, die sich komplett ohne Förderprogramme rechnen. Es bleibt zu hoffen, dass das nicht bald durch Sonderabgaben und Strafsteuern für neue Photovoltaik-Anlagen unterbunden wird. Einzelne Politiker haben darüber ja schon laut darüber nachgedacht. Momentan sind die installierten Stückzahlen noch gering. Bleibt die Politik vernünftig, könnte sich der Markt spätestens nach Erreichen des 52-Gigawatt-Deckels explosionsartig entwickeln. Für den Klimaschutz wäre das ein reiner Glücksfall.

Die Fragen stellte Michael Fuhs.

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