Würde da nicht das Licht ausgehen?

Sonne Wind & Wärme
erschienen in Sonne Wind & Wärme 07/2012 S.10-12

Wind­kraft und Photo­voltaik könnten bereits im Jahr 2040 ca. 80 % der Strom­ver­sorgung in Deutsch­land über­nehmen. Beides sind aber schwankende Energieformen. Bleibt die Frage, ob da bisweilen das Licht ausgehen würde oder ob doch eine zuverlässige Stromversorgung möglich ist, wenn wir auf die richtigen Technologien setzen.

Klimaschützer raten dringend, unsere Energieversorgung bereits bis zum Jahr 2040 kohlendioxidfrei zu gestalten. In der Stromversorgung würde das einen sehr hohen Anteil an Photovoltaik- und Windkraftanlagen bedeuten, die dann in Deutschland ca. 80 % der Versorgung übernehmen müssten. Die Potenziale anderer regenerativer Stromerzeugungsformen wie Biomasse, Wasserkraft oder Geothermie sind hier vergleichsweise gering. Gemeinsam mit einem geringen Anteil an Import von regenerativem Strom müssten sie dann die restlichen 20 % liefern. Aufgrund des schwankenden Wind- und Sonnenangebots befürchten viele, eine sichere Versorgung sei so nicht möglich. Auch RWE-Chef Jürgen Großmann bediente sich in einem Spiegel-Interview im Jahr 2010 dieser Ängste, um längere Laufzeiten für Kernkraftwerke zu fordern: „Im Januar blies wenig Wind, es gab kaum Sonne. Stellen Sie sich vor, 80 % unserer Stromerzeugung hingen von erneuerbaren Energien ab: Da würde in Zeiten wie diesen nicht nur das Licht ausgehen.“ Mit der Laufzeitverlängerung wurde es wegen Fukushima bekannterweise erst einmal nichts. Die Zweifel an der Zuverlässigkeit der Regenerativen sind aber immer noch in der Welt.

Windkraft und Photovoltaik ergänzen sich oft sehr gut

Um Lösungen sachlich zu diskutieren, wurde für diesen Artikel eine regenerative Stromversorgung mit 200 GW Photovoltaik sowie jeweils 50 GW Onshore- und Offshore-Windkraft mit realen Wetter- und Verbrauchsdaten aus dem Jahr 2007 analysiert, die in etwa 80 % der Versorgung decken könnten. Im Jahresverlauf gleichen sich die Erzeugung aus Solar- und Windkraftanlagen erst einmal erstaunlich gut aus, wie Abb. 1 zeigt. Eine umfangreiche saisonale Speicherung ist deshalb nicht erforderlich. Innerhalb einzelner Wochen gibt es allerdings erhebliche Unterschiede, was drei Wochen exemplarisch verdeutlichen.

Wochenmittlere Leistungsbilanz einer Elektrizitätsversorgung in Deutschland mit 200 GW Photovoltaik und jeweils 50 GW Onshore- und Offshore-Windkraft
Abb. 1: Wochenmittlere Leistungsbilanz einer Elektrizitätsversorgung in Deutschland mit 200 GW Photovoltaik und jeweils 50 GW Onshore- und Offshore-Windkraft

In Winterwochen mit gutem Windangebot ist die Versorgung noch relativ ausgeglichen (Abb. 2a). Die Windkraft dominiert dort die Erzeugung. An einigen Stunden, vor allem mittags, kommt es zu hohen Leistungsüberschüssen. An wenigen Stunden gibt es Defizite in Höhe von gut 60 GW. In einer sonnenreichen Frühjahrswoche (Abb. 2b) bestimmt hingegen die Photovoltaik das Geschehen. Es kommt tagsüber stets zu hohen Überschüssen. Nachts tritt hingegen regelmäßig ein starkes Defizit auf. Den „Worst Case“ stellt die wind- und sonnenarme Winterwoche dar (Abb. 2c). Hier sind dauerhaft Defizite von bis zu 75 GW zu verzeichnen. Derartige Wochen treten bei bestimmten winterlichen Hochdrucklagen auf, bei denen das Windangebot schwach bleibt und Hochnebel das Sonnenangebot erheblich reduziert. Solche Wetterlagen können, wie im Jahr 2007, durchaus 14 Tage anhalten, bis wieder windreiches Wetter die Oberhand gewinnt. Andere regenerative Energien können in dieser Zeit die Defizite nur bedingt ausgleichen. So waren 2011 in Deutschland 4,4 GW an Wasserkraft- und 7,2 GW an Biomassekraftwerken installiert. Bei der Biomasse und der Geothermie gibt es zwar noch Ausbaupotenziale, geht man von 25 GW an Leistung anderer regenerativer Kraftwerke oder Importmöglichkeiten aus, müsste dennoch ein Großteil des Defizits anderweitig gedeckt werden.

Leistungsbilanz einer windreichen Winterwoche (KW3)
Abb. 2a: Leistungsbilanz einer windreichen Winterwoche (KW3)
Leistungsbilanz einer sonnenreichen Frühjahrswoche (KW14)
Abb. 2b: Leistungsbilanz einer sonnenreichen Frühjahrswoche (KW14)
Leistungsbilanz einer wind- und sonnenarmen Winterwoche (KW50)
Abb. 2c: Leistungsbilanz einer wind- und sonnenarmen Winterwoche (KW50)
Speicher müssen 5 % des Jahresbedarfs aufnehmen

Um die hohen Überschüsse und Defizite in Ausgleich zu bringen, sind neue große Speicherkapazitäten nötig, die ca. 5 % der jährlich erzeugten Energiemenge speichern und wieder abgeben können. Diese Zahl hört sich zuerst nicht wirklich erschreckend an. Dennoch bedeutet das eine Speicherkapazität in der Größenordnung von 30.000 GWh. Betrachtet man die derzeitigen Speicher in Deutschland, zeigt sich die Dimension der nötigen Veränderung: Die heute in Deutschland hauptsächlich verwendeten Pumpspeicherkraftwerke verfügen gerade einmal über eine Speicherkapazität von 40 GWh. Es geht also künftig nicht darum, die Speicherkapazität zu verdoppeln oder zu verdreifachen. Wir reden über eine Steigerung um den Faktor 750. Auch das geplante und umstrittene neue Pumpspeicherkraftwerk Atdorf im Schwarzwald mit einer Kapazität von 13 GWh ist da bestenfalls ein Tropfen auf dem heißen Stein. Weitere große Pumpspeicherprojekte in Deutschland sind wenig wahrscheinlich.

Prinzipiell kann man bei den benötigten Speichern zwischen Kurzzeitspeichern für wenige Stunden und Langzeitspeichern für einige Wochen unterscheiden. Bei den Kurzzeitspeichern würde bereits eine Kapazität von 400 GWh gut ausreichen, um bei einem sonnenreichen Frühjahrstag die Nacht zu überbrücken. Das wäre „nur“ eine Verzehnfachung der heutigen Speicherkapazität. Aus heutiger Sicht eigenen sich hierfür vor allem Batteriespeicher. Für Photovoltaikanlagen bringen bereits immer mehr Hersteller Batteriesysteme auf den Markt, die den Eigenverbrauchsanteil steigern sollen. Die Batteriekapazität liegt meist im Bereich von 5 und 10 kWh. Bei 40 Mio. Haushalten kämen bei einer Speicherkapazität von 10 kWh rein rechnerisch die benötigten 400 GWh zusammen. Von diesem Potenzial wird sich war nur ein kleinerer Teil erschließen lassen, ergänzt durch einige zentrale Batteriespeicher und weitere Speicher bei Industrie- und Gewerbebetrieben könnten Batterien aber einen großen Teil des Kurzzeitspeicherbedarfs decken. Die Versorgungssicherheit bei wind- oder sonnenreichen Wochen wäre damit gewährleistet.

Eine größere Herausforderung stellt die Überbrückung gleichzeitiger wind- und sonnenarmer Wochen dar. Hierfür werden auch Batteriespeicher nicht ausreichen. Einige Konzepte sehen vor, dafür in Norwegen eine Vielzahl neuer Pumpspeicherkraftwerke zu errichten. Das bergige und wasserreiche Land hätte dafür große Potenziale. Allerdings ist man in dem Land wenig begeistert, Unmengen neuer Hochspannungsleitungen quer über die landschaftlich eindrucksvollen Fjorde zu ziehen und zahllose Berghänge für neue Speicherbecken zu betonieren. Aus Naturschutzgründen dürfte das real erschließbare Potenzial sehr überschaubar bleiben. Bleiben noch zwei Technologien, um die nötigen Speicher in Deutschland zu realisieren: Bei Druckluftspeichern könnte durch Überschussstrom Luft in riesigen unterirdischen Kavernen verdichtet werden, die dann bei Bedarf über Turbinen wieder Strom erzeugt. Deutlich mehr Chancen werden aber der Gasspeichertechnologie eingeräumt.

Gasspeicher können bereits heute den künftigen Bedarf decken

In Deutschland existieren bereits Erdgasspeicher mit einer Kapazität von ca. 20 Mrd. m3, was einem Heizwert von rund 200 000 GWh entspricht. Auch wenn man noch Verluste bei der Umwandlung von Erdgas in Elektrizität berücksichtigt, könnten die existierenden Gasspeicher den Speicherbedarf einer vollständig regenerativen Elektrizitätsversorgung bereits heute problemlos decken. Mit Elektrolyseeinheiten lässt sich aus Überschüssen von regenerativen Kraftwerken Wasserstoff erzeugen und direkt in das Erdgasnetz einspeisen. Eine Beimischung von 5 % Wasserstoff ins heutige Erdgasnetz ist technisch prinzipiell möglich. Anteile von bis zu 20 % werden ebenfalls als realisierbar erachtet. Größere regenerative Gasmengen lassen sich mit Hilfe einer zusätzlichen Methanisierungsstufe beimischen. Regeneratives Methan kann das fossile Erdgas eins zu eins ersetzen. Der Nachteil der Gasspeicherung ist der mäßige Gesamtwirkungsgrad von ca. 40 %. Werden die Verluste durch eine konsequente Kraft-Wärme-Kopplung in allen Stufen genutzt, lassen sich aber die Wirkungsgrade auf durchaus passable Werte steigern.

Die technischen Lösungen, eine überwiegend auf Wind- und Solarenergie basierende klimaverträgliche Elektrizitätsversorgung bereits bis zum Jahr 2040 zu realisieren, sind also bekannt. Dazu müssen wir uns aber zügig von schlecht regelbaren Braunkohle- und Atomkraftwerken verabschieden, den Ausbau von Photovoltaik- und Windkraftanlagen ambitioniert vorantreiben und die nötigen Speicher und Gas-Reservekraftwerke schnellstmöglich aufbauen. Um die Energiewende zu vollziehen, reichen künftig keine Ankündigungen mehr aus. Nun muss gehandelt werden.

Volker Quaschning

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