Der Bil­li­onen­poker

Zeitschrift Sonne Wind & Wärme
erschienen in Sonne Wind & Wärme 07/2013, S.7-9

Wegen der angeb­lich aus­ufernden Kosten in Billionen­höhe will die Bundes­regierung den Ausbau erneuerbarer Energien bremsen. In Wirklichkeit geht es aber mehr um eine Sicherung der Milliardengewinne der Energiekonzerne. Schließlich gehen 2013/14 Kohlekraftwerke mit über 6 GW Leistung neu ans Netz, die bezahlt werden wollen. Der Klimaschutz fällt bei dem Billionenpoker völlig unter den Tisch.

Nach der Fukushima-Reaktorkatastrophe vor zwei Jahren herrschte Optimismus in der erneuerbaren Energiebranche. Die Ereignisse zwangen die Regierung zum Beerdigen der Pläne für die Laufzeitverlängerung der deutschen Kernreaktoren. Ein schneller Durchmarsch der Erneuerbaren war aber bereits damals nicht wirklich zu erwarten. Die großen Energiekonzerne hatten auf üppige Laufzeitverlängerungen für Kernkraftwerke und den Bau von neuen Kohlekraftwerken spekuliert – beides inkompatibel mit dem regenerativen Zeitalter. Ein Showdown zwischen der alten und neuen Energiewelt war zwangsläufig zu erwarten (siehe SW&W 04/2012, Seite 12). Nun ist es soweit: Der Showdown tritt in die entscheidende Phase. Die Bundesregierung hat sich dabei klar auf der Seite der Energiekonzerne positioniert.

Nachdem die Energiekonzerne von Fukushima kalt erwischt wurden, haben sie inzwischen eine neue Strategie entwickelt. Während der ehemalige Vorstands­vorsitzende von RWE noch Anfang 2012 die Solarenergie in Deutschland so sinnvoll wie Ananaszüchten in Alaska abkanzelte, bekennt sich die neue Führungsriege durchaus zum Ausbau erneuerbarer Energien. Selbst eine Versorgung mit einem sehr hohen Anteil erneuerbarer Energien wird inzwischen offiziell akzeptiert – allerdings nur in der ferneren Zukunft. Nur 5 % der regenerativen Energieanlagen befinden sich derzeit nämlich in der Hand der großen Energieversorger. Sie haben deren Ausbau mit ihrer ursprünglichen Strategie verschlafen und nehmen stattdessen immer noch gigantische Kapazitäten an Kohlekraftwerken in Betrieb. Allein in den Jahren 2013 und 2014 sollen trotz aller Klimaschutzbekenntnisse laut Bundesnetzagentur über 6.000 MW an neuen Steinkohlekraftwerken ans Netz gehen. Die vor Jahren geplanten und nun in der Pipeline befindlichen Kraftwerke müssen sich erst einmal amortisieren, bevor das regenerative Zeitalter dann wirklich beginnen darf. Das funktioniert aber nur, wenn der Ausbau erneuerbarer Energien deutlich langsamer erfolgt als bisher.

Die Strategie der Energiekonzerne zielt dabei auf einen wunden Punkt der erneuerbaren Energien: die Kosten. Eine aktuelle Studie vom Fraunhofer ISE zeigt zwar eindrucksvoll, dass ein vollständig erneuerbares Energiesystem nicht teurer sein wird als die heutige Versorgung, das gilt aber erst für die Phase des Endausbaus. Die Investitionen für den Umbau verursachen in der Übergangszeit zwangsläufig höhere Kosten. Wirklich überraschend ist das nicht. Auch bei der Einführung der Kernenergie mussten die Strompreise erhöht werden. Die Bundesregierung versprach aber vor zwei Jahren beim Verkünden der Energiewende nur geringe Kostensteigerungen. Dabei hätte die Bevölkerung nach dem Schock von Fukushima durchaus eine ehrliche Antwort akzeptiert: Die Strompreise werden in der Übergangszeit spürbar ansteigen, aber keine astronomische Höhen erreichen und langfristig dann dauerhaft stabil bleiben.

Billion klingt dramatischer als Milliarde

Die eigene Transparenz fällt den erneuerbaren Energien inzwischen zunehmend auf die Füße. Kein Manager der Energiekonzerne käme auf die Idee, seine Kosten und Gewinne auf der Stromrechnung aufzuschlüsseln. Die Kosten der Energiewende lassen sich aber vermeintlich in der EEG-Umlage ablesen, die jeder auf seiner Stromrechnung wiederfindet. Gut 20 Mrd. € werden im Jahr 2013 über das EEG auf Stromkunden umgewälzt. Durch Klientelpolitik, Dilettantismus oder möglicherweise auch absichtlich wurde diese Summe künstlich nach oben getrieben und auf immer weniger Kunden umgelegt. Neben den Kosten für den Ausbau erneuerbarer Energien umfasst die EEG-Umlage auch Industriesubventionen und zahlreiche andere Posten. Weniger als die Hälfte wären im Jahr 2013 wirklich für die Förderung erneuerbarer Energien nötig.

Auch diese Summe wirkt auf den Laien erst einmal abschreckend – aber offensichtlich noch nicht abschreckend genug. Durch Finanz- und Eurokrise ist auch die Milliarde inzwischen entwertet und hat ihre Dramatik verloren. Darum hat der Umweltminister im vergangenen Februar gleich noch einen draufgelegt: Rund eine Billion soll nun die Energiewende kosten. Er hätte auch Trillionen, Trilliarden oder einfach nur „unbezahlbar teuer“ rufen können – die Aussage wäre die gleiche. Seine Berechnungen erfolgten dabei eher auf Stammtischniveau als wissenschaftlich fundiert. Er unterstützt damit die Linie der Energiekonzerne, die als Ergebnis der Kostendiskussion der Energiewende nur allzu gerne eine Verschnaufpause einlegen wollen. Doch selbst wenn diese Zahl stimmen würde, wäre sie alles andere als der Weltuntergang. Das Bruttoinlandsprodukt Deutschlands beträgt ca. 3,5 Billionen €/a. Über 25 Jahre verteilt entspräche die Billion gerade einmal gut 1 % der deutschen Wirtschaftsleistung. Das wäre durchaus der Bedeutung der Energiewende angemessen, wenn die Energiewende, wie Altmaier stets bekräftigt, wirklich das wichtigste Projekt nach dem Wiederaufbau Deutschlands wäre. Ein weiterer Vergleich relativiert die Kosten der EEG-Umlage noch weiter: Ca. 29 Mrd. € erwirtschafteten die vier Energieriesen 2012 vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (siehe Abb. 1). Auch wenn dabei nicht alle Erträge aus dem deutschen Stromgeschäft stammten, ist das deutlich mehr als die EEG-Umlage den Stromkunden aufbürdet.

Erwartete Zusammensetzung der EEG- Umlage im Jahr 2013 und Gesamterträge der Energiekonzerne
Abb. 1: Erwartete Zusammensetzung der EEG- Umlage im Jahr 2013 und Gesamterträge der Energiekonzerne vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (EBITDA)

Doch anstatt die Kosten der Energiewende zu entdramatisieren, malt der Umweltminister seit Monaten den Untergang des Abendlandes an die Wand, den es mit einer inzwischen auf Eis gelegten Strompreisbremse zu verhindern galt. Möglicherweise liegt dem Minister sogar wirklich der Stromkunde ein wenig am Herzen. Doch dann lassen seine Vorschläge mangelnde Kompetenz vermissen. Für eine langfristige Stabilisierung der Strompreise sind seine Vorschläge nämlich völlig ungeeignet. Ein Blick auf die Strompreisentwicklung der letzten Jahre zeigt, dass es neben der EEG-Umlage noch viele weitere Kostentreiber gibt (siehe Abb. 2). Selbst wenn wir die EEG-Umlage komplett streichen würden, bliebe eine Steigerung der Strompreise zwischen den Jahren 2000 und 2013 um stolze 70 %. Die vorgeschlagene Strompreisbremse könnte daher nur wenig zur Preisstabilisierung beitragen, würde aber sehr zur Freude der Energiekonzerne das Ausbautempo bei den meisten Erneuerbaren drastisch reduzieren.

Ein weiterer Grund macht eine Stabilisierung der Haushaltsstrompreise wenig wahrscheinlich: Die vorgeschlagene Strompreisbremse spart die wichtigsten Ursachen weiterer Preissteigerungen aus. Die zunehmenden Kapazitäten erneuerbarer Kraftwerke drücken die Preise an den Strombörsen. Das ist gut für Industriekunden, die sich direkt an der Börse mit immer billigerem Strom eindecken können. Bei den Haushaltskunden kommen diese Preissenkungen hingegen nicht an. Da die EEG-Umlage aus den Mehrkosten der erneuerbaren Energien gegenüber dem Börsenstrompreis berechnet wird, sorgen sinkende Börsenstrompreise für eine höhere EEG-Umlage und damit für höhere Haushaltsstrompreise.

Entwicklung und Zusammensetzung der Haushaltsstrompreise in Deutschland
Abb. 2: Entwicklung und Zusammensetzung der Haushaltsstrompreise in Deutschland
Abschied vom Klimaschutz

Für das Erreichen der Klimaschutzziele sind fallende Preise für Kohlestrom und der Kohleboom eine Katastrophe. Im Jahr 2012 sind die energiebedingten Kohlendioxidemissionen in Deutschland bereits um 2,2 % angestiegen. Dabei sollte der CO2- Zertifikatehandel eigentlich den Preis für Strom aus klimaschädlichen Kraftwerken verteuern und damit zu einem Rückgang der Emissionen führen. Die Wirtschaftskrise in Europa, eine viel zu großzügige Zuteilung der Zertifikate und der schnelle Ausbau erneuerbarer Energien haben aber zu einem enormen Überangebot an Zertifikaten und damit zu einem dramatischen Preisverfall geführt. Eine Rettung des Zertifikatehandels durch das Europaparlament wurde jüngst durch die Kohle- und Industrielobby verhindert. Die Klimafolgekosten durch den ungezügelten Kohlendioxidausstoß müssen künftig aber auch bezahlt werden. Rücklagen dafür gibt es keine. Das Umweltbundesamt beziffert die realen Klimafolgekosten auf 70 € je Tonne Kohlendioxid. Die nicht umgelegten Klimafolgekosten entsprechen damit alleine in Deutschland einer Subvention von über 20 Mrd. € für fossile Kraftwerke (siehe Abb. 3).

Entwicklung der Preise für Zertifikate für CO2-Emissionsrechte und resultierende Subventionen infolge nicht gedeckter Klimafolgeschäden
Abb. 3: Entwicklung der Preise für Zertifikate für CO2-Emissionsrechte und resultierende Subventionen infolge nicht gedeckter Klimafolgeschäden

Eigentlich gibt es nur einen Ansatz, der gleichzeitig einen wirksamen Klimaschutz und eine Preisstabilisierung für die Haushalts- und Gewerbestromverbraucher verspricht: Eine Kohlendioxidbremse. Kohlendioxidemissionen müssen spürbar verteuert werden. Solange der Zertifikatehandel nicht funktioniert, wäre eine nationale Kohlendioxidsteuer eine funktionierende Lösung. Verteuern sich die Kohlendioxidemissionen, steigen auch der Preis für Kohlestrom und damit die Preise an der Strombörse. Das würde wiederum die Differenz der Kosten erneuerbarer Anlagen zum Börsenstrompreis und damit die EEG-Umlage senken. Dies wären eine einfache Art der Strompreisbremse und ein Beitrag zum Subventionsabbau bei den Klimafolgekosten und zum Klimaschutz. Solche Maßnahmen würden aber auch die Gewinne der Energiekonzerne schmälern und mit dem Börsenstrompreis auch die Stromkosten für die Großindustrie erhöhen. Die Regierung bleibt auch hier ihrer Linie treu. Wirtschaftsminister Rösler blockiert seit Monaten alle Bestrebungen, wenigstens den Preisverfall für die CO2- Zertifikate zu beenden. Unterstützung erhält er dabei von Kohlelobbyisten aus der SPD-Fraktion und die Grünen halten sich traditionell mit der Forderung nach neuen Abgaben wie einer CO2-Steuer vornehm zurück. Keine gute Voraussetzung, dass sich nach der Bundestagswahl hier etwas substanziell ändert.

Doch die Bevölkerung steht weiter fest zum Ausbau erneuerbarer Energien. Durch das Patt zwischen Bundestag und Bundesrat lassen sich politisch vermutlich die schlimmsten Ausbaubremsen für die erneuerbaren Energien verhindern. Bei regenerativen Eigenverbrauchsanlagen nimmt auch die Bedeutung von Fördermaßnahmen kontinuierlich ab. Erneuerbare Energien rechnen sich zunehmend auch ohne staatliche Unterstützung. Hier liegt der wahre Schlüssel zur Energiewende. Es kann gut sein, dass Energiekonzerne und Politiker daher den Billionenpoker verlieren. Viele Asse haben sie nicht mehr im Ärmel und ewig lässt sich eine Politik und eine Wirtschaftsweise, die sich gegen die Interessen der Mehrheit der Bevölkerung stellt und fahrlässig die Lebensgrundlagen künftiger Generationen bedroht, nicht durchsetzen.

Volker Quaschning

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