erschienen in Sonne Wind & Wärme 01/2014, S.8-9
Den Energiekonzernen steht das Wasser bis zum Hals. Selbst leitende Angestellte von RWE mussten kürzlich eine Nullrunde hinnehmen. Daher versuchen RWE und Co. durch ihren politischen Einfluss den immer bedrohlicheren Ausbau erneuerbarer Energien einzudämmen – mit Erfolg, wie der Koalitionsvertrag von CDU/CSU und SPD zeigt.
Viele Aspekte des Koalitionsvertrags wurden in der Öffentlichkeit intensiv diskutiert. Der Energiebereich gehörte nicht dazu. Deshalb konnten die Koalitionäre im Windschatten der großen Themen weitgehend unbehelligt ihre Vorstellungen und die der großen Energiekonzerne zu Papier bringen. „Die Energiewende zum Erfolg führen“, lautet vielversprechend die Überschrift zum Energiebereich. Es folgen blumige und wohlklingende Passagen, die der überwiegenden Mehrheit der Bevölkerung aus dem Herzen sprechen. Die Autoren wollen die Schöpfung bewahren, Deutschland „unabhängiger von Energieimporten“ machen sowie einen „engagierten Klimaschutz“ etablieren. Die erneuerbaren Energien sollen „Planungssicherheit“ sowie einen „verlässlichen Wachstumspfad“ erhalten. Und natürlich möchte man die Kosten stabilisieren sowie die Akzeptanz beim Ausbau der Netze erhöhen. Am Ende fehlt eigentlich nur noch die Vollbeschäftigung, das Ende der Kinderarmut und der Weltfrieden, um dem Papier einen apostolischen Charakter zu geben.
Zwischen den wohlklingenden Phrasen ist aber eine ganze Reihe an bitteren Pillen mit einer enormen Zersetzungskraft eingearbeitet. Die Hauptangriffe richten sich dabei gegen die Windkraftnutzung an Land. Mäßige Windstandorte im Binnenland sollen gar nicht mehr gefördert und die Vergütung an windstarken Standorten gekürzt werden. Außerdem sollen die Länder Abstandsregelungen erlassen können, mit denen sich der Windenergieausbau beispielsweise in Bayern fast ganz unterbinden ließe. Die Biomasseförderung wird ebenfalls drastisch reduziert. Die bereits im letzten Jahr kleingeschrumpfte Photovoltaik soll dagegen erst einmal ungeschoren davonkommen. Eine 5-%ige Sonderkürzung durch unentgeltliche Abregelung von Spitzenlast und eine Umlage auf alle Eigenverbrauchsanlagen könnten aber auch der ohnehin schon gebeutelten Photovoltaikbranche endgültig den Garaus machen. Mittelfristig soll der Marktzugang für kleine Anlagen und Akteure durch ein Ausschreibemodell und eine verpflichtende Direktvermarktung erschwert werden. Zu guter Letzt soll noch ein Pilotvorhaben prüfen, wie Betreiber vor Windkraft- und Solaranlagen einen Grundlastanteil garantieren und dafür einen Teil ihrer Erlöse vorzugsweise an Kohlekraftwerke durchreichen müssen.
Werden alle Maßnahmen umgesetzt, würde der Ausbau erneuerbarer Energien fast völlig zum Erliegen zu kommen. Doch die Koalitionäre gehen wohl selbst davon aus, dass sie nicht alles umsetzten können. Denn immerhin gestehen sie den Erneuerbaren noch einen Anteil von 40 % bis 45 % an der Stromerzeugung bis 2025 zu, was einer jährlichen Steigerung um 1,5 % entspricht. Zwischen 2010 und 2012 waren es allerdings noch 2,7 %/a. Doch auch die eingedampften Steigerungsraten sind noch keine sichere Bank. Sie sollen kontinuierlich im Hinblick auf Netzausbau und Bezahlbarkeit überprüft werden.
Abb. 1: Werden die Ziele des Koalitionsvertrags umgesetzt, bleiben das Niveau der fossilen Erzeugung und damit die CO2-Emissionen die nächsten 15 Jahre konstant.
Wirklich verwunderlich ist das Maßnahmenpaket allerdings nicht. Die großen Energiekonzerne wie RWE, Eon und Vattenfall haben in den letzten Jahren konsequent auf die Laufzeitverlängerung von Kernkraftwerken und den Neubau von Kohlekraftwerken gesetzt. Die starke Konkurrenz durch Solar und Windkraftanlagen hat ein Stromüberangebot verursacht. Durch den resultierenden Preisverfall wurden konventionelle Kraftwerke immer weniger rentabel. Die Gewinne der Konzerne brachen ein. Diese reagierten mit rigiden Sparprogrammen – und Gemeinden, die einen nicht unerheblichen Teil der Aktien von RWE und Co. halten, geraten zunehmend finanziell unter Druck. Nicht wenige Stadtkämmerer in Nordrhein-Westfahlen dürften nach der Wahl mit der Forderung „Hannelore, repariere mal RWE, sonst muss ich mein Schwimmbad oder meine Bibliothek dichtmachen.“ auf die SPD-Verhandlungsführerin zugegangen sein.
Ein Hauptziel des Koalitionsvertrags ist, den Energiekonzernen die nötige Zeit zu verschaffen, um sich für die Energiewende neu aufzustellen und wieder profitabel zu werden sowie die Konkurrenz aus dem Markt zu drängen. Die Klimaschutzziele werden zwar großspurig genannt, spielen aber ähnlich wie sinnvolle Strategien zum Ausbau erneuerbarer Energien kaum eine Rolle. Wird der geplante Ausbaukorridor erneuerbarer Energien wirklich realisiert, bleibt der Anteil der Kohlekraftwerke in Deutschland die nächsten 15 Jahre weitgehend konstant. Da auch im Wärmebereich wenig ambitionierte Maßnahmen beschlossen wurden, ist eine Reduktion der Kohlendioxidemissionen in Deutschland bestenfalls Wunschdenken: Schwimmbäder statt Klimaschutz lautet jetzt die Devise.
Da der Windenergieausbau weitgehend nur noch in Norddeutschland stattfinden soll, erhöht sich der Druck zum Ausbau der Leitungen. Dies ist ein wunder Punkt im Vertrag. Wird der Leitungsausbau durch den Widerstand der Bevölkerung blockiert, müssen die Pläne recht bald wieder auf den Prüfstand. Spätestens wenn die nächste Jahrhundertflut mit RWE-Dividenden finanzierte Schwimmbäder und Bibliotheken fortspült, wird die Frage nach funktionierenden Klimaschutzmaßnahmen wieder laut werden. Die geplanten Gesetze werden frühestens im Sommer beschlossen. Bis dahin lassen sich noch zahlreiche regenerative Anlagen nach den alten Bedingungen bauen.
Wir müssen die Bürgerenergiewende und den Klimaschutz wieder auf die Tagesordnung bringen. Bislang haben sich Regierungen nur selten an Koalitionsverträge gehalten. Es soll auch Abgeordnete geben, die wirklich ihrem Gewissen verantwortlich sind. Nehmen wir sie in die Verantwortung.
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