erschienen bei klimaretter.info am 21.04.2016.
Kohleausstieg nicht vor 2040, weitere Drosselung beim Ökostrom-Ausbau, keine Anhebung der laschen Klimaziele – Regierung, Opposition und Thinktanks machen weiter, als hätte es den Pariser-Klimavertrag nicht gegeben. Deshalb müssen wir alle jetzt richtig Druck machen. Fragen Sie Ihren Abgeordneten, Ihren Energieversorger oder Verbände, wie sie es mit der Energiewende halten!
Im Dezember 2015 wurde in Paris ein neues UN-Klimaabkommen verhandelt, das am 22. April 2016 feierlich unterzeichnet wird.
Das Abkommen ist auch dringend nötig. Die globale Erwärmung beträgt mittlerweile schon rund 1 °C. Die Folgen des Klimawandels
sind kaum noch zu übersehen. Bei "business as usual" erwarten die aktuellen Klimaberichte für 2100 einen Temperaturanstieg
um 4 bis 5 °C. Langfristig dürften dadurch die Meeresspiegel um rund 10 m steigen. Dann reden wir nicht mehr wie heute über
50 Millionen Flüchtlinge weltweit, sondern über fast eine Milliarde zusätzlicher Klimaflüchtlinge. Um das zu verhindern,
soll das Pariser Klimaabkommen die globale Erwärmung möglichst um nicht mehr als 1,5 °C steigen lassen. Vor dem Pariser
Klimaabkommen zielten noch alle Treibhausgasreduktionen auf eine Begrenzung des globalen Temperaturanstiegs auf 2 °C hin.
Da hierbei auch schon der Untergang tiefliegender Inselstaaten droht, soll nun die 1,5-Grad-Marke eingehalten werden.
Dazu müssten die Klimaschutzmaßnahmen nun eigentlich deutlich verschärft werden.
Die aktuellen Klimaschutzziele der deutschen Bundesregierung sehen aber immer noch nur eine Reduktion der Treibhausgasemissionen um 40 Prozent bis zum Jahr 2020 und um 80 Prozent bis 2050 im Vergleich zu 1990 vor. Diese Ziele wurden schon in den 1980er Jahren formuliert und seit dem nur unwesentlich verändert. Damals ging man allerdings nur von einer deutlich geringeren Steigerung der globalen Emissionen bis heute aus und hatte auch nur eine Stabilisierung des globalen Temperaturanstiegs auf 2 °C im Blick. Wollen wir die globale Erwärmung - wie aus guten Gründen in Paris vereinbart - nun wirklich auf 1,5 °C begrenzen, dürften wir etwa ab dem Jahr 2040 gar keine anthropogenen Kohlendioxidemissionen mehr freisetzen.
Doch über eine Anpassung der Reduktionsziele wird nicht einmal nachgedacht. Regierung, Opposition und Thinktanks machen munter weiter als hätte es gar keine neuen UN-Klimabeschlüsse gegeben. Die Regierung arbeitet mit Hochdruck an einer Drosselung des Windenergiezubaus, obwohl bereits mit dem jetzigen Energiewendetempo ihre eigenen laschen Klimaschutzziele unerreichbar sind. Dafür feiert sie das Pariser Klimaschutzabkommen als historischen Erfolg zur Rettung des Planeten. Krassere Widersprüche sind kaum noch vorstellbar. Die Grünen träumen offenbar von Schwarz-Grün bei der nächsten Bundestagswahl und wollen ihren Koalitionspartner in spe nicht vorab verprellen. Mehr als eine Verdopplung des Photovoltaikzubaus ist da für die Parteispitze nicht drin. Und der von der European Climate Foundation getragene Agora-Thinktank macht sich für einen sanften Kohleausstieg bis 2040 stark. Für das 1,5-Grad-Ziel wird beides bei weitem nicht ausreichen.
Meinen wir es mit dem Klimaschutz, dem Überleben der Inselstaaten und der 1,5-Grad-Grenze endlich ernst, darf bereits in etwa 25 Jahren gar keine Kohle, Erdöl oder Erdgas mehr verbrannt werden. Gelingt das nicht, müssen wir das zu viel emittierte Kohlendioxid mit so genannten technisch aufwändigen und teuren CCS-Verfahren nachträglich wieder aus der Atmosphäre holen und Untertage endlagern. Doch CCS ist in Deutschland aus guten Gründen politisch kaum durchsetzbar. Daher brauchen wir einen Kohleausstieg bis spätestens 2030. Berücksichtigt man Produktlebensdauern und Verbraucherschutz, dürften neue Öl- und Gasheizungen bereits in 5 Jahren nicht mehr zulässig sein und neue Autos mit Benzin- und Dieselmotoren in spätestens 15 Jahren Geschichte werden. Dafür ist ein echtes Klimaschutzgesetz dringend erforderlich. Der Klimaschutz gehört außerdem ins Grundgesetz, damit die Bevölkerung endlich auch juristische Möglichkeiten bekommt, der Politik Dampf zu machen.
All das erscheint ambitioniert und erfordert von den Befürwortern viel Mut und Durchhaltevermögen. Wenn wir aber das Klima wirklich retten und unseren Enkelkindern keinen zerschundenen Planeten hinterlassen wollen, genügen keine große Worte oder Abkommen mehr. Dafür müssen endlich große Taten her. Fragen Sie sich doch einfach mal Ihre Abgeordneten, Ihre Lieblings-Oppositionspolitiker, Ihren Energieversorger, VW und andere deutsche Automobilkonzerne sowie andere Industrieunternehmen, Verbände oder Thinktanks, ob sie das Pariser Klimaabkommen befürworten. Ich bin mir sicher, in fast allen Fällen werden Sie ein klares "Ja" bekommen. Und dann legen Sie nach. Lassen Sie sich erklären, welche schärferen Maßnahmen ihre Gesprächspartner denn zum Einhalten der 1,5-Grad-Grenze aus dem Pariser Klimaabkommen und zum vollständigen Umbau unserer Energieversorgung bis 2040 auf 100 % erneuerbare Energien planen. Auf die ausweichenden Antworten wäre ich sehr gespannt. Nur wenn wir jetzt alle richtig Druck machen, haben das Pariser Klimaabkommen, der Klimaschutz und alle nachfolgenden Generationen eine echte Chance. Nutzen wir sie!
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