erschienen in der Zeitschrift joule 5/2016, S.23.
Bereits seit Jahren fordern Merkel, Altmaier, Gabriel und Co. den schnellen Ausbau von Stromtrassen,
da sonst der Zubau Erneuerbarer Energien ins Stocken gerate. Und weil es so oft gesagt wurde, verbreiten
es auch unzählige Journalisten unhinterfragt. Doch wer meint, dass die Energiewende am Ausbau
von Ubertragungsleitungen scheitert, hat die Energiewende nicht richtig verstanden.
In Deutschland werden fluktuierende Solar- und Windkraftanlagen schon bald den Löwenanteil der
Stromerzeugung abdecken. Dann wird es aber Stunden im Jahr geben, an denen wir locker dreimal so
viel Strom produzieren, wie wir benötigen. Zu anderen Zeiten müssen wir mit erheblichen Defiziten rechnen.
Dieses Problem konnten wir mit Leitungen nicht einmal dann in den Griff bekommen, wenn wir dutzende
Trassen - ungeachtet des sicheren Vetos von Horst Seehofer - quer durch Deutschland und Bayern
bis nach Süditalien zögen.
Die Diskussion um die angeblich fehlenden Leitungen soll in Wahrheit nur die Drosselung des Windenergieausbaus
rechtfertigen, der doch aber zur Bekämpfung des Klimawandels so dringend nötig wäre. Ein Defizit
bei Leitungen bedeutet: Auch keine neuen Windkraftanlagen im Norden, so die einfache Formel. Und
der Leitungsbau kann bekannterweise lange dauern, zumindest so lange, bis RWE und Freunde die Kurve
bei der Energiewende gekriegt haben.
Ein Blick in den aktuellen Netzentwicklungsplan enthüllt das ganze Elend der Leitungsplanungen. Bei
den Berechnungen wurde bis in die 2030er-Jahre mit erheblichen Mengen an Kohlestrom gerechnet, der die
bestehenden Leitungen verstopft. Welche Leitungen am Ende wirklich bei einem schnellen Kohleausstieg
und einem eher dezentralen Zubau erneuerbarer Anlagen nötig sind, wurde erst gar nicht ermittelt.
Dabei muss die Energiewende ohnehin sektorübergreifend stattfinden. Neben der Stromversorgung müssen
auch die Wärme und der Verkehr dekarbonisiert werden. Dafür brauchen wir auch dort letztendlich größtenteils
Strom aus erneuerbaren Anlagen. Dazu konnten wir Norddeutschland zu einem gigantischen Testlabor
für die Sektorkopplung bei der Energiewende machen: Gaserzeugung oder Heizen mit Windstromüberschüssen,
lokale Förderprogramme für Wärmepumpen oder Elektroautos, Teststrecken für Elektrolastwagen
mit Oberleitungen und Elektrobuslinien - das wären nur einige der Möglichkeiten. Dann konnte auch der
schnelle Windenergiezubau weitergehen. Nur wer solche Projekte mutig fördert, nutzt das Innovationspotenzial
Deutschlands und hat die Energiewende wirklich verstanden.
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