Auch Monate nach der Bundestagswahl wissen wir nicht, wohin eine künftige Regierung in den Themen Energiewende und Klimaschutz
steuert. Immerhin: Mit Ausnahme der AfD, die sogar einfache physikalische Hintergründe des Klimawandels nicht verstanden hat,
stehen offiziell alle relevanten Parteien zum Klimaschutz. Selbst bei der FDP befand sich im Wahlprogramm der Satz:
"Grundlage unseres Handels ist … das Pariser Klimaschutzabkommen." Wirksame Maßnahmen dazu waren aber bislang Fehlanzeige.
Selbst die Grünen hadern mit dem Klimaschutz. Im Wahlkampf forderten sie eine Kohlendioxidneutralität bis 2050 und ein Ende
der Verbrennungsmotoren bis 2030 - zu spät für das 1,5-Grad-Ziel des Pariser Klimaschutzabkommens. Mehr, meint die grüne
Parteiführung, sei nicht vermittelbar. So bleiben die Klimaschutzbekenntnisse aller Parteien am Ende nur schöne Worte.
Mit den Extremwetterereignissen des letzten Jahres ruft das Klima aber bereits jetzt schon SOS. Um mehr als 1 °C ist die
globale Durchschnittstemperatur seit dem Beginn der Industrialisierung gestiegen - fast ein Drittel dessen, was wir 20.000
Jahre davor beobachten konnten. Nur ein Fullstop bei der globalen Erwärmung könnte noch katastrophale Klimaänderungen
verhindern. Steigt der Bedarf an fossilen Energieträgern weiter kontinuierlich an, ist ein Temperaturanstieg um mehr als
4 °C bis 5 °C möglich - mehr als die bisherige Erwärmung seit der letzten Eiszeit. Ruhig Blut, sagen Einige: Die Menschheit
hat die letzte Eiszeit auch überlebt. Doch damals war unser Planet dünn besiedelt. Die Menschen konnten den schlechter
werdenden Umweltbedingungen ausweichen. Heute würden vergleichbare Temperaturveränderungen mit einem langfristigen
Meeresspiegelanstieg von vielen Metern die Lebensgrundlagen von hunderten von Millionen Menschen zerstören. Bereits 2016
mussten weltweit 23,5 Millionen Menschen wegen klimabedingten Ereignissen wie Stürmen und Überschwemmungen fliehen. Mit den
noch geringen Fluchtbewegungen kommen wir schon nicht zurecht. Ein Planet, auf dem langfristig möglicherweise ein Drittel
der Menschen wegen veränderter klimatischer Bedingungen umsiedeln muss, dürfte apokalyptische Züge annehmen.
Vor zwei Jahren hat die Weltgemeinschaft in Paris nicht weniger als die Rettung der für Menschen bewohnbaren Erde
beschlossen. Der Deutsche Bundestag hat das Abkommen 2016 einstimmig ratifiziert. Die meisten Politiker haben aber
offensichtlich gar nicht verstanden, worüber sie abgestimmt haben.
Das Kohlendioxidbudget, das wir für das Einhalten des Pariser 1,5-Grad-Ziels noch emittieren dürfen, wird voraussichtlich
schon in den 2030er-Jahren erschöpft sein. Spätestens dann muss unsere Energieversorgung vollständig kohlendioxidneutral sein.
Wenn wir den Klimaschutz wirklich ernst meinen, brauchen wir also 100 % erneuerbare Energien in den nächsten 20 Jahren, nicht
erst weit nach 2050. Der nötige jährliche Zubau beträgt dazu für die Photovoltaik 15 GW und die Onshore-Windkraft 6 GW. Wir
brauchen sehr schnell große Speicherkapazitäten, spätestens 2025 ein Aus für den Verbrennungsmotor und 2020 einen Abschied
von der Öl- und Gasheizung. Ein baldiger kompletter Kohleausstieg ist ebenfalls gesetzt. Wir müssen auch unseren Lebensstil
und unsere Ernährungsgewohnheiten überdenken. Das alles wird unsere Gesellschaft radikal verändern. Und das wird viele treffen,
die vom alten umweltzerstörenden System profitieren, was die massiven Widerstände erklärt.
Selbst die Solarbranche tut sich mit der dem Pariser Klimaschutzabkommen schwer. Ohne einen jährlichen Photovoltaikzubau
deutlich über 10 GW ist eine Kohlendioxidneutralität in den 2030er-Jahren illusorisch. Nur wenige trauen sich, diese Zahlen
zu kommunizieren, denn sie seien nicht vermittelbar. Auch Verbände wie der BSW stapeln immer noch tief. Vertreter der Solarthermie
hetzen kontinuierlich gegen die Photovoltaik, weil sie im Winter nicht genügend Strom für Wärmepumpen liefern könne, setzten
als Backup selbst auf fossile Energien. Die Windbranche beobachtete erstaunt wie die Solar- und Biogasbranche in Deutschland
zerlegt wurden und war froh, nicht selbst betroffen zu sein. Nun trifft es die Windbranche und die Vertreter der Photovoltaik
jubeln, dass wir nach 1,5 GW Zubau im Jahr 2016 auf 2 GW im Jahr 2017 zugesteuert sind und damit einen viel größeren Beitrag
zum Klimaschutz leisten. Willkommen im postfaktischen Zeitalter. Ob wir null, 1,5 oder 2 GW Photovoltaik pro Jahr in
Deutschland bauen, ist für den Klimaschutz ziemlich egal. Alles würde zu einer globalen Erwärmung von mehr als 3 °C führen
und damit den Temperaturanstieg seit der letzten Eiszeit verdoppeln.
Wir dürfen nicht länger lamentieren und uns hinter schönen Worten verstecken, wir brauchen endlich echte Taten. Wir brauchen
Solidarität zwischen allen Erneuerbaren und mit den Opfern des Klimawandels. Über 500.000 Menschen sind in den letzten
20 Jahren durch klimabedingte Ereignisse gestorben. Die materiellen Schäden betrugen rund 3 Billionen Euro. Wer funktionierenden
Klimaschutz für nicht vermittelbar hält, sollte sich diese Zahlen vor Augen halten. Sie sind die Konsequenz unseres Versagens.
Wir müssen künftig alle festnageln, die zwar vom Klimaschutz reden, aber nicht einmal ansatzweise das Nötige dafür tun -
auch wenn diese BSW oder Bündnis 90/Die Grünen heißen. Wir sind Hunderttausende, die sich in Deutschland für die Energiewende
und erfolgreichen Klimaschutz einsetzen. Aber wir haben es bislang noch nicht einmal geschafft, dass sich alle ohne Wenn und
Aber zu den nötigen Maßnahmen dazu bekennen. Wir haben keine Zeit mehr, zu überlegen, was der Bevölkerung vermittelbar ist
und die Menschen mit Klimaschutzlügen in Watte zu packen. Wir brauchen jetzt endlich viel mehr Menschen, die den Mut haben,
Klartext zu reden und die nötigen Maßnahmen durchzusetzen.
Eine Vielzahl an Artikeln behandelt aktuelle Themen der Energiepolitik, des Klimaschutzes und des Einsatzes erneuerbarer Energien.
In verschiedenen Print-, Radio- und TV-Interviews nimmt Volker Quaschning Stellung zu aktuellen Fragen über die Energiewende und eine klimaverträgliche Energieversorgung.
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Polizeieinsätze gegen Klimaaktivist:innen, um Braunkohle zu fördern? Die Grünen verlangen ihrer Basis viel ab. Habecks Rechtfertigung ist der Kohleausstiegs-Deal für 2030. Doch ist der was Wert und was will eigentlich die Opposition? Das bespricht der Podcast.