Der Klima­wandel kommt erst nach der nächsten Wahl

Sonne Wind & Wärme
erschienen in Sonne Wind & Wärme 02/2011 S.10-12

In Cancún fand Ende 2010 der letzte UN-Klima­gipfel statt. Regierungs­vertreter feiern das dort beschlossene Abkommen als vollen Erfolg. Dabei wurde ein wirklicher Durchbruch nicht erreicht. Die schnell sinkenden Preise für regenerative Energieanlagen bieten jedoch Grund zur Hoffnung: Durch sie könnten wir das Klima sogar ganz ohne UN-Abkommen retten. Doch auch diese Chance ist in Gefahr.

Doppelter Strompreis Nachdem viele Experten ein Scheitern der UN-Klima­konferenz in Mexiko erwartet hatten, bejubeln Regierungs­vertreter das erzielte Abkommen. Immerhin hat die Weltgemeinschaft darin anerkannt, dass der globale Temperaturanstieg im Vergleich zum vorindustriellen Zeitalter auf maximal 2 Grad Celsius zu begrenzen ist. Das "Wie" wurde aber wieder einmal vertagt. Damit erkennt sie wenigstens die Empfehlungen der Klimaschützer an, die ab dieser Marke unkontrollierbare Klimaveränderungen befürchten. Gleichzeitig überlegt man in Deutschland, das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) noch dieses Jahr zu überarbeiten, um dem rasanten Ausbau der Photovoltaik Einhalt zu gebieten und die vermeintlichen Mehrkosten zu begrenzen.

Kyoto-Ziele und Entwicklung der Treibhausgasemissionen einzelner Länder
Bild 1: Kyoto-Ziele und Entwicklung der Treibhausgasemissionen einzelner Länder (Daten: UNFCCC)

Wirklich gebracht haben alle bisherigen Klimaschutzbekenntnisse wenig. Im so genannten Kyoto-Protokoll hatten sich 1997 die Industrieländer verpflichtet, ihre Treibhausgasemissionen bis 2012 um gut 5 Prozent zu drosseln. Gelungen ist dies aber fast nur in Ländern, mit massiven wirtschaftlichen Umbrüchen nach 1990, wie in den osteuropäischen Staaten. Bei vielen westlichen Industrieländern wie den USA, Kanada oder Australien sind die Treibhausgasemissionen seit 1990 sogar noch angestiegen (Bild 1). Ernsthafte Konsequenzen drohen diesen Ländern nicht, außer dass sie 2012 als Klimasünder gebrandmarkt sein werden. Um selbst das zu vermeiden, haben die USA das Abkommen bis heute nicht unterschrieben. Für Entwicklungs- und Schwellenländer sieht das Kyoto-Abkommen keinerlei Ziele vor und so klettern die Emissionen vor allem durch Zuwächse in China, Indien und anderen Schwellenländern munter weiter (Bild 2). Das Haupttreibhausgas Kohlendioxid stammt dabei größtenteils aus der Verbrennung fossiler Energieträger.

Wer bremst denn da?

Bleibt die Frage, warum die Menschheit angesichts der immensen Bedrohung durch den Klimawandel nicht in der Lage ist, adäquate Gegenmaßnahmen zu beschließen. Die Antwort ist einfach: Die Bedrohung ist langfristig, ein wirksamer Klimaschutz bedingt aber bereits heute große Veränderungen. Das Leben auf der Erde würde dadurch nicht zwangsläufig unbequemer, nur gäbe es wie bei jeder Veränderung Gewinner und Verlierer. Dass die potentiellen Verlierer freiwillig den Veränderungen zustimmen, ist nicht zu erwarten. Schließlich verdienen sie mit der heutigen klimaschädlichen Wirtschaftsweise viel Geld. Kein Wunder, dass das EEG in Deutschland wieder einmal unter Beschuss steht, seit die Photovoltaik mengenmäßig relevante Anteile erreicht hat.

Entwicklung der weltweiten Kohlendioxidemissionen durch Nutzung fossiler Energieträger
Bild 2: Entwicklung der weltweiten Kohlendioxidemissionen durch Nutzung fossiler Energieträger (Daten: IEA)

Die normale Bevölkerung hat indes oft ganz andere Probleme als Klimaschutz. In vielen Regionen der Erde kämpfen die Bewohner mit dem Überleben der nächsten Monate oder gar Tage. Für diese Menschen gibt es kaum Möglichkeiten, gegen den Klimawandel anzugehen, zumal sie selbst relativ wenig dazu beitragen. Die Politik sucht meist lieber Lösungen für kurzfristige Probleme, denn der Klimawandel kommt erst nach der nächsten Wahl. Selbst bei den so vermeintlich umweltfreundlichen Deutschen wird Klimaschutz schnell zum Verliererthema, wenn sie zwischen mehr Geld im Portemonnaie und mehr Klimaschutz entscheiden sollen.

Sanktionen politisch nicht durchsetzbar

Nur eine globale Lösung ermöglicht ein Stoppen der Klimaveränderungen. Selbst wenn wir in Deutschland ab heute keine Treibhausgase mehr verursachen würden, wäre der Effekt für den Klimaschutz minimal. Daher müssten verbindliche Klimaschutzziele für alle Länder mit schmerzlichen Sanktionen bei deren Nichteinhalten beschlossen werden. Das wird aber auch bei den nächsten Klimaschutzkonferenzen nicht einmal ansatzweise gelingen. Der Einfluss der Lobbyisten und Egoisten, die persönliche Nachteile durch solch ein Abkommen befürchten ist einfach zu groß.

Pragmatisch gesehen gibt es nur einen Weg, wirklich sicher signifikante Reduktionen der Kohlendioxidemissionen zu erreichen: Wir müssen klimafreundliche Alternativen zur heutigen Energieversorgung so preiswert machen, dass die Nutzung fossiler Energieträger unrentabel wird. Nur wenn Klimaschutz sich lohnt, wird er sich weltweit durchsetzen. Der stetig steigende Ölpreis liefert dazu bereits eine gute Unterstützung. Während 1998 im Jahresmittel ein Barrel Erdöl nur gut 13 Dollar kostete, kletterte der Preis im Jahr 2008 zeitweise auf über 140 Dollar. Nach den Einbrüchen durch die Wirtschaftskrise wurde Ende 2010 bereits wieder die 100-Dollar-Marke ins Visier genommen. Mit dem Ölpreis steigen auch die Preise für Erdgas und Kohle.

Entwicklung der jahresmittleren Preise für Erdöl und Photovoltaikmodule
Bild 3: Entwicklung der jahresmittleren Preise für Erdöl und Photovoltaikmodule
Entwicklung der Stromgestehungskosten für neue Kraftwerke von 1990 bis 2010 und Projektion bis 2020
Bild 4: Entwicklung der Stromgestehungskosten für neue Kraftwerke von 1990 bis 2010 und Projektion bis 2020

Im gleichen Zeitraum sind die Preise für Photovoltaikmodule von gut 5 Dollar auf 2 Dollar pro Watt gefallen (Bild 3). Die Förderung durch das EEG in Deutschland hat dazu einen nicht unwesentlichen Beitrag geleistet. Bereits heute kann es die Photovoltaik in sonnenreichen Regionen der Erde problemlos mit Dieselaggregaten aufnehmen. Für einen wirksamen Klimaschutz müssen regenerative Energien aber auch zu großen Kraftwerken konkurrenzfähig werden. Mit fortgesetzter Kostendegression bei den regenerativen Energien und weiter steigenden Kosten für fossile Anlagen dürfte auch dieser Punkt innerhalb dieses Jahrzehnts erreicht werden (Bild 4).

Das EEG in seiner jetzigen Form verteidigen

Wer nun stark Hand an das EEG anlegt, verzögert das Erreichen der vollen Konkurrenzfähigkeit der erneuerbaren Energien um Jahre. Für den Klimaschutz wäre das katastrophal. Eigentlich müsste nämlich das Tempo beim Ausbau erneuerbarer Energien besser noch steigen, da sich Kostensenkungen nur durch höhere Installationszahlen erreichen lassen. Nur so können wir wirklich der unzureichenden Klimaschutzpolitik der vergangenen Jahrzehnte entgegenwirken. Daher gilt es, das EEG in seiner jetzigen Form zu verteidigen, denn es ist eines der wichtigsten Klimaschutzinstrumente nicht nur für Deutschland.

Volker Quaschning

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