erschienen in Sonne Wind & Wärme 04/2003 S.36-38
Deutschland gilt als Vorreiter im internationalen Klimaschutz und hat sich selbst hohe Ziele gesteckt. Es droht jedoch, an den eigenen Ansprüchen zu scheitern, wenn keine größeren Anstrengungen zum Klimaschutz getroffen werden.
Die Gefahr, die von weltweiten Klimaveränderungen ausgeht,wurde in den achtziger Jahren von der Politik erkannt, und der deutsche Bundestag setzte parteiübergreifende Enquete-Kommissionen ein. Diese Expertenkommissionen sollten Ursachen und Auswirkungen von Klimaveränderungen aufzeigen und Reduktionsempfehlungen erarbeiten. Kohlendioxid (CO2) ist mit einem Anteil von über 85% an den Treibhausgasemissionen in Deutschland das mit Abstand wichtigste Treibhausgas [1], siehe Abb. 1. Die Kohlendioxidemissionen sind dabei fast ausschließlich energiebedingt, stammen also aus der Verbrennung fossiler Energieträger wie Kohle, Erdöl oder Erdgas. Rund 10% der gesamten Treibhausgasemissionen entfallen auf Methan (CH4), das hauptsächlich in der Landwirtschaft, der Abfallwirtschaft sowie bei der Gewinnung und Verteilung fossiler Brennstoffe entsteht [2]. Weitere Treibhausgase sind Lachgas (N2O) sowie Fluorkohlenwasserstoffe (FKW). Dabei tragen die einzelnen Gase stark unterschiedlich zum Treibhauseffekt bei. Zum Beispiel ist Methan im Vergleich zu Kohlendioxid 32-mal so klimawirksam. Um die verschiedenen Klimagase vergleichen zu können, werden sie oft mit ihrer Schädlichkeit gewichtet und in so genannte Kohlendioxidäquivalente umgerechnet (siehe Kasten).
Kohlendioxidemissionen: zusätzliche vom Menschen verursachte Emissionen durch Verbrennung fossiler Energieträger oder Brandrodung
Energiebedingte Kohlendioxidemissionen: Kohlendioxidemissionen ausschließlich durch Nutzung fossiler Energieträger. In Deutschland gelten rund 97% der Kohlendioxidemissionen als energiebedingt.
Temperaturbereinigte Kohlendioxidemissionen: Durch unterschiedlich warme Winter kommt es zu starken Emissionsschwankungen.Um langfristige Änderungen bewerten zu können, werden die Emissionen auf Durchschnittstemperaturen umgerechnet.
Treibhausgasemissionen: Die wichtigsten Emissionen der Treibhausgase CO2, CH4, N2O, H-FKW, P-FKW und SF6 werden mit ihrer Klimarelevanz gewichtet, in Kohlendioxidäquivalente umgerechnet und summiert. Beispiel Methan (CH4): Im Jahr 2000 wurden 2,8 Mill. t Methan in Deutschland freigesetzt. Da Methan 32-mal so klimawirksam ist wie Kohlendioxid, geht es mit einem Kohlendioxidäquivalent von 90 Mill. t in die Bilanz ein (Abb. 1).
Da die fortschreitende globale Erwärmung durch anhaltend hohe Emissionen von Treibhausgasen unabsehbare Folgen bis hin zum Abschmelzen der Polkappen verursachen kann, empfahlen die Expertenkommissionen strenge Einsparkriterien. Danach sollen Industrienationen wie Deutschland ihre Kohlendioxidemissionen um 25% bis zum Jahr 2005, um 50% bis zum Jahr 2020 und sogar um 80% bis zum Jahr 2050 reduzieren. Nachdem das Referenzjahr zuerst 1987 war, wählte man später das Jahr 1990 als Basis, um eine Vergleichbarkeit mit internationalen Klimaschutzzielen zu erreichen. Mit zwei Kabinettsbeschlüssen vom 13.6.1990 und 7.11.1990 übernahm die Regierung Kohl die Reduktionsempfehlungen für Kohlendioxid von 25 bis 30% bis zum Jahr 2005 gegenüber dem Jahr 1987 als Regierungsziel [3], ohne jedoch überzeugende Maßnahmen auf den Weg zu bringen. Beschlüsse vom 11.12.1991 und 29.9.1994 bekräftigten das Einsparziel und änderten das Referenzjahr auf 1990, wobei seitdem nur noch eine Reduktion um 25% und nicht mehr um 25% bis 30% angestrebt wird. Das Kyoto-Protokoll legte im Jahr 1997 erstmals internationale Reduktionsvereinbarungen für die wichtigsten Treibhausgase fest. Mit Reduktionsverpflichtungen von 21% für den Zeitraum zwischen 2008 und 2012 gegenüber 1990 blieb die damalige Bundesregierung deutlich unter ihren vorigen Beschlüssen zurück. Die neue rot-grüne Bundesregierung bekräftigte im Jahr 1998 jedoch noch einmal das Reduktionsziel von 25% bis zum Jahr 2005.
Abb.1: Treibhausgasemissionen in Deutschland in den Jahren 1990 und 2000
Zwischen den Jahren 1990 und 2000 sind die Treibhausgasemissionen in Deutschland um insgesamt 18,9% zurückgegangen (Abb. 1), bis Ende 2002 sogar um 19,4%. Der Rückgang der CO2-Emissionen erreichte jedoch nur 15,2% [5]. Der Rest geht auf die Reduktion der Methanemission um über 40% zurück – durch rückläufige Kohleförderung, Verringerung der Tierbestände sowie verstärktes Recycling. Ein Großteil der Kohlendioxidreduktionen erfolgte durch die Umbrüche in den neuen Bundesländern nach der Widervereinigung. Dort fielen die Kohlendioxidemissionen auf weniger als die Hälfte. Die Emissionen in den alten Bundesländern blieben hingegen weitgehend konstant (Abb. 2). Bei fortgesetztem Trend sind in den kommenden Jahren nur noch sehr geringe Reduktionen zu erwarten. Die bisherigen Maßnahmen für Emissionsrückgänge sind damit bei weitem nicht ausreichend. Andere Einflüsse wie steigende Ölpreise oder Wirtschaftskrisen wirken sich deutlich stärker aus. Deshalb könnte die derzeitige Außenpolitik der US-Regierung Bush mehr oder weniger ungewollt für geringe Reduktionen im Jahr 2003 sorgen. Wenn Deutschland aber keine weiteren erfolgversprechende Reduktionsmaßnahmen einleitet, könnten es sogar die Kyoto-Vereinbarungen verfehlen. Das CO2-Reduktionsziel von 25% bis zum Jahr 2005 ist bereits heute vollkommen illusorisch.
Abb.2: Entwicklung der energiebedingten Kohlendioxidemissionen in Deutschland seit 1987 (1 Mt = 1 Mill. t) sowie Trends und Reduktionsziele. Zum Erreichen der Kyoto-Ziele können auch noch Reduktion anderer Treibhausgase beitragen.
Bei einem Blick auf andere westliche Länder scheinen die bisherigen Maßnahmen in Deutschland immerhin Schlimmeres verhindert zu haben. So stiegen zwischen 1990 und dem Jahr 2000 die Treibhausgasemissionen in Österreich um 3,1%, in Kanada um 19,6% und in Spanien sogar um 34,8%. Da die USA bei einer Zunahme von 14,2% ihr Kyoto-Ziel von –7% faktisch nicht mehr erreichen können, hat die Regierung Bush angekündigt, das Kyoto-Protokoll erst gar nicht zu unterzeichnen. Das ist aber nur ein schwacher Trost, denn aufgrund der hohen klimapolitischen Wiedervereinigungsgewinne wird Deutschland international nur sehr bedingt als Vorbild akzeptiert. Denn selbst die umweltpolitisch viel gescholtenen USA hätten bei einer gemeinsamen Klimabilanz beispielsweise mit Russland einen Emissionsrückgang von gut 2% aufzuweisen. Während alle ehemaligen Ostblockstaaten aufgrund wirtschaftlicher Umbrüche hohe zweistellige Emissionseinsparungen aufweisen können, sind Luxemburg und Großbritannien die einzigen westlichen Länder, die neben Deutschland hohe Reduktionen zu verzeichnen haben. In Großbritannien erreichte man den Rückgang von 12,6% überwiegend durch den Ersatz von Kohle durch Erdgas. Die schwarzen Schafe sind im Westen offenbar in der Überzahl.
In Deutschland ist die Kohle in der Stromerzeugung immer noch vorherrschend. Dadurch entfallen hierzulande mehr als 37% der energiebedingten Kohlendioxidemissionen auf Kraftwerke. Andere Länder mit einem hohen Anteil an Wasserkraftwerken haben deshalb deutlich geringere Pro-Kopf-Emissionen. Während ein Bundesbürger pro Jahr durchschnittlich 10,1 t CO2 verursacht, entfallen auf einen Norweger 7,5 t CO2 und auf einen Schweizer gar nur 5,8 t CO2. Immerhin sind die CO2-Emissionen der deutschen Kraftwerke seit 1990 um 39 Mill. t zurückgegangen. Nach Angaben des Bundesverbands Windenergie hat die Windkraft mehr als ein Viertel dazu beigetragen. Demzufolge hat der starke Ausbau der Windkraftnutzung die gesamtdeutschen Kohlendioxidemissionen seit 1990 immerhin um ein gutes Prozent reduziert. Diese Zahl macht aber auch deutlich, welche enormen Kraftakte noch zu vollbringen sind, um die Reduktionsziele – um 25% bis zum Jahr 2005 oder gar um 50% bis zum Jahr 2020 – zu erreichen.
Minus 1% Kohlendioxidemissionen durch Windenergienutzung in Deutschland
Neben einem schnelleren Ausbau der Nutzung regenerativer Energieträger sind vor allem Energiesparmaßnahmen der Schlüssel zum Erfolg, denn die Photovoltaikanlage auf dem Hausdach hilft nur wenig, wenn deren Emissionseinsparungen durch einen Zweitwagen oder einen Kurztrip nach Mallorca wieder aufgefressen werden. Bürger und Politik sind gemeinsam aufgefordert, deutlich mehr zu erreichen. Ökosteuer und das Erneuerbare-Energien-Gesetz in der bisherigen Form haben bei weitem nicht ausgereicht, den Weg in Richtung langfristigem Klimaschutz einzuschlagen. Zumindest brauchen wir uns keine Gedanken darüber zu machen, dass der Klimaschutz in Vergessenheit gerät, denn zunehmende Naturkatastrophen wie die große Flut im letzten Sommer werden uns regelmäßig daran erinnern.
[1] UNFCCC (Hrg.): Report on national greenhouse gas inventory data from Annex I Parties for 1990 to 2000. Neu Delhi:UNFCCC, 2002
[2] Umweltbundesamt (Hrg.):Umweltdaten Deutschland 2002. Berlin:Umweltbundesamt, 2002
[3] Deutscher Bundesrat (Hrg.): Unterrichtung durch die Bundesregierung. Bonn: Bundesrat Drucksache 905/97, 1997
[4] UNFCCC (Hrg.): Protokoll von Kyoto zum Rahmenübereinkommen der Vereinten Nationen über Klimaänderungen. Kyoto, 11.12.1997
[5] Ziesing, H.-J.:Nur schwacher Rückgang der CO2-Emissionen im Jahre 2002.Wochenbericht des DIW Berlin Nr. 8/2003, S. 128-136
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