Schon lange versuchen die Energiekonzerne und einige Politiker, den mit der rot-grünen Regierung ausgehandelten Atomkonsens zu kippen. Angesichts explodierender Energiepreise trifft dies jüngst auch auf wachsende Zustimmung in der Bevölkerung. Doch immer wenn die Kampagne zur Laufzeitverlängerung deutscher Atommeiler so richtig Fahrt aufnimmt, kommt etwas dazwischen. Mal versagt fast die Notstromversorgung des schwedischen Atomkraftwerks Forsmark, dann brennt ein Trafo beim deutschen Reaktor Krümmel, schließlich tritt Uran im französischen Tricastin aus, und nun kommen auch noch Probleme im Atommülllager im niedersächsischen Asse hinzu.
Eilig wird jedes mal beteuert, dies seien Einzelfälle, die Kernenergie sei sicher und es gäbe keinerlei Gefahr für die Bevölkerung. Doch die Vorfälle zeigen, dass die Atomenergie alles andere als völlig sicher ist. Atomkraftwerke haben hohe Sicherheitsstandards, genauso wie Flugzeuge oder Züge. Dennoch brechen Achsen oder enden Flugzeugstarts in Katastrophen.
Technische Anlagen sind von Menschen entwickelt und können versagen. Im Gegensatz zu Zügen und Flugzeugen ist das Risiko bei einem Reaktorunglück ungleich höher. Doch die Angst vor steigenden Energiepreisen verdrängt diese Gefahr. Das Unglück in Tschernobyl fand im letzten Jahrtausend statt. Auch die Terrorpanik nach dem 11. September 2001 legt sich wieder. Die Gefahr, dass ein Anschlag eine Reaktorkatastrophe auslöst, ist heute aber nicht weniger wahrscheinlich. Gerade das Abstumpfen gegenüber den Gefahren reduziert die Wachsamkeit und erhöht das Katastrophenrisiko.
Das Unfallrisiko heutiger Kernkraftwerke wird sich spätestens in einigen Jahrzehnten weltweit von selbst erledigen. Denn dann geht preiswertes Uran zur Neige. Ein Problem jedoch bleibt: Der radioaktive Müll. Weltweit existiert kein einziges Endlager für hoch radioaktive Abfälle, die noch über Jahrmillionen strahlen. Wenn die Dinosaurier ein Endlager errichtet hätten, müsste es auch heute noch intakt sein. Seit dem haben sich jedoch Kontinente verschoben. Eiszeiten sind gekommen und gegangen. Erdbeben, Vulkanausbrüche, Änderungen der Grundwasserflüsse - all das müssen Endlager eine Ewigkeit unbeschadet überstehen.
Dass aber nicht alle Ereignisse vorhersehbar sind, zeigt nun das Beispiel des Salzstocks Asse. In dieser lange als sicher gepriesenen Anlage wurden bis 1995 radioaktive Stoffe eingelagert. Das ungewollte Auftreten radioaktiver Salzlauge und der jahrelange unbedarfte Umgang mit den Vorfällen sorgten schließlich für das öffentliche Aufsehen der letzten Wochen. Nun wird auch wieder an der Sicherheit des geplanten Endlagers für hochradioaktive Stoffe in Gorleben gezweifelt.
Doch damit ergeben sich neue Probleme: Ein immer größer werdender Berg an radioaktiven Abfällen ohne wirkliches Entsorgungskonzept. Verschiedene Seiten fordern daher, an der bisherigen Planung festzuhalten und die Lager möglichst schnell in Betrieb zu nehmen. Die Nutzung der Kernenergie ist eben nur dann populär, wenn sie niedrige Preise verspricht. Selbst die heftigsten politischen Befürworter der Kernenergie werden schnell zu Gegnern, wenn es um radioaktiven Müll in ihrer Nähe geht.
Einer der Hauptvorteile von Gorleben ist die relative geographische Abgeschiedenheit mit wenigen Wählern und Stromkunden. Doch dies darf kein Argument für die Standortwahl eines Endlagers sein. Nach der nächsten Eiszeit, kann nämlich die Siedlungsstruktur in Deutschland ganz anders aussehen. Von dem Endlager geht dann aber immer noch eine Gefahr aus.
Vielmehr sollte man die Chance nutzen und noch einmal die Sicherheit aller Endlagerpläne prüfen. Beim geringsten Zweifel muss die Suche nach einem neuen Standort erfolgen. Dabei gilt es, den in Deutschland sichersten Standort zu finden und dann auch zu nutzen. Das Verschieben von Atommüll ins Ausland oder das ständige Transportieren von einem Zwischenlager ins nächste sind keine Alternativen. Selbst wenn dann der sicherste Standort direkt unter der Stadt München sein sollte, wäre er trotzdem zu akzeptieren, ohne erneut auf das Sankt-Florians-Prinzip zu setzen.
Die teure und langwierige Endlagersuche zeigt auch die großen finanziellen Risiken der Kernenergie. Ein Grund mehr, am mühsam errungenen Ausstiegskonsens festzuhalten und endlich auf saubere Alternativen zu setzen. Erneuerbare Energien werden immer schneller ausgebaut und können ausgelaufene Kernkraftwerke problemlos ersetzen. Bis zum Jahr 2050 könnten sie sogar die komplette Energieversorgung sicherstellen. Das einzige aber vielleicht überschaubare Restrisiko ginge dann von dem bis hoffentlich dahin gefundenen sicheren Endlager in Deutschland aus.
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