BWK
Globales Klima­experiment

Die Rolle der Energie­wirtschaft bei der Verringerung der weltweiten Kohlendioxidemissionen

erschienen in bwk 05/2003 S.38-41

Mit dem fortgesetzten Ausstoß von Treibhausgasen wird ein globales naturwissenschaftliches Experiment betrieben. Viele Wissenschaftler sind sich einig, dass bereits beobachtete Klimaveränderungen auf den Einfluss des Menschen zurückzuführen sind. Andere fordern hingegen weitere Untersuchungen und halten bis dahin eine weitere uneingeschränkte Verwendung fossiler Energieträger für gerechtfertigt. Dieser Beitrag fasst weitgehend anerkannte Fakten über Treibhausgasemissionen und Klimaveränderungen zusammen und beschreibt die Rolle und den Einfluss der Energiewirtschaft.



Das im Jahr 1988 von der Uno eingesetzte Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) hat in mehreren Szenarien die möglichen Auswirkungen unterschiedlich hoher Treibhausgasemissionen auf das Klima bis zum Jahr 2100 untersucht (Tabelle 1) [1 bis 4]. Bild 1 zeigt darüber hinaus die Entwicklung der energiebedingten CO2-Emissionen und der CO2-Konzentration in der Atmosphäre seit Beginn der Industrialisierung.


Entwicklung der energiebedingten CO2-Emissionen und der CO2-Konzentration in der Atmosphäre
Bild 1: Entwicklung der energiebedingten CO2-Emissionen und der CO2-Konzentration in der Atmosphäre.
Tabelle 1: Entwicklung klimarelevanter Parameter bis zum Jahr 2000 und einzelner IPCC-Szenarien bis zum Jahr 2100 bezogen auf das Referenzjahr 1990.
 18601990200020502100
Welt­bevöl­kerung in Mrd. 5,36,18,4 bis 11,37,0 bis 15,1
CO2-Konzen­tration in ppm280354367445 bis 640540 bis 970
CO2-Emis­sionen 1) in Gt C/a0,16,06,58,5 bis 26,83,3 bis 36,8
Primär­energie­bedarf in EJ 351419642 bis 1 601514 bis 2 737
Globale Temperatur­änderung in °C-0,600,20,8 bis 2,61,4 bis 5,8
Anstieg der Meeres­spiegel in cm-20025 bis 329 bis 88
1) durch Nutzung fossiler Brennstoffe, 1 t C entspricht 3,667 t CO2

In den 1990er Jahren ist der weltweite Primärenergiebedarf im Mittel um 1,5 % pro Jahr gestiegen. Durch die verstärkte Nutzung CO2-armer fossiler Brennstoffe wie Erdgas fiel der Anstieg der energiebedingten CO2-Emissionen mit 0,7 % pro Jahr jedoch geringer aus. Die Zunahme der CO2-Konzentration der Atmosphäre betrug 4 %, der globale Temperaturanstieg 0,2 °C und der Meeresspiegelanstieg 20 mm pro Dekade. Die CO2-Konzentration in der Atmosphäre ist um mehr als 30 % höher als zu Beginn der Industrialisierung und damit größer als je zuvor in den vergangenen 420 000 Jahren [1].

Klimaschutzempfehlungen

Da eine enge, zwar noch nicht endgültig bewiesene Korrelation zwischen der Zunahme von Treibhausgasemissionen und der Erderwärmung sowie dem Meeresspiegelanstieg zu beobachten ist, wurden von wissenschaftlicher und politischer Seite Klimaschutzziele definiert. Bereits zu Beginn der 1990er Jahre sahen die Empfehlungen Reduktionen der weltweiten CO2-Emissionen um 70 % bis zum Jahr 2100 vor, mit stärkeren Reduktionen in den Industrieländern von 25 % bis zum Jahr 2005 gegenüber 1990, 40 bis 50 % bis zum Jahr 2020, 80 % bis zum Jahr 2050 und 90 % bis zum Jahr 2100 [5]. Dabei wird vorausgesetzt, dass die CO2-Emissionen derzeit fast 60 % der vom Menschen verursachten Klimafolgen verursachen. Für den Rest sind andere Gase wie Methan, Lachgas oder FCKW verantwortlich. Rund 90 % der CO2-Emissionen stammen aus der Verbrennung fossiler Brennstoffe. Demnach ist die Energiewirtschaft für mehr als die Hälfte der vom Menschen freigesetzten Treibhausgase verantwortlich. In Industrieländern ist dieser Anteil noch höher. In Deutschland liegt der Anteil deutlich oberhalb von 80 %. Andere Verursacher sind die Industrie und Landwirtschaft sowie Brandrodung.
Unter der Voraussetzung, dass die Treibhausgas-Emissionen für die beobachteten Klimaveränderungen verantwortlich sind, kommt der Reduktion der CO2-Emissionen aus der Verbrennung fossiler Brennstoffe somit eine Schlüsselrolle zu.


Windpark in Andalusien
Unter den Annex-I-Staaten verzeichnet Spanien den größten Anstieg bei den CO2-Emissionen. Regenerative Energien wie dieser Windpark in Andalusien sollen dieser Entwicklung entgegenwirken.
Internationaler Klimaschutz

Auf dem ersten Welt-Klimagipfel in Rio de Janeiro im Jahr 1990 wurde die Klimarahmenkonvention verabschiedet [6]. Diese formuliert das Ziel, die Treibhausgaskonzentration in der Atmosphäre auf einem Niveau so zu stabilisieren, das eine gefährdende anthropogene Störung des Klimasystems verhindert. Die entwickelten Industriestaaten und Schwellenländer, so genannte Annex- I-Staaten, haben hierbei eine besondere Verantwortung zu übernehmen. Das Kyoto-Protokoll von 1997 legt für diese Staaten Reduktionsziele für die sechs klimarelevanten Treibhausgase CO2, CH4, N2O, HFCs, PFCs und SF6 für den Zeitraum 2008 bis 2012 gegenüber dem Referenzjahr 1990 fest [7]. Es wurde inzwischen von den meisten Staaten unterzeichnet. Die USA unter der Regierung von George W. Bush haben jedoch bereits vorzeitig erklärt, das Protokoll nicht zu ratifizieren.
Tabelle 2 und Bild 2 zeigen die Entwicklung von 1990 bis zum Jahr 2000 [8]. Große Unterschiede gibt es vor allem zwischen den westlichen Ländern und den ehemaligen Ostblockstaaten, die aufgrund der wirtschaftlichen Umbrüche durchweg Reduktionen des CO2-Ausstoßes von mehr als 50 % vorweisen können [9]. Von den westlichen Industrieländern zeichnen sich Spanien, Portugal, Irland und Griechenland ausgehend von einem niedrigen Entwicklungsniveau sehr hohe Steigerungsraten des CO2-Ausstoßes aus. Dies wird ihnen – allerdings in geringerem Umfang – auch im Kyoto-Protokoll zugestanden. Diese Zuwächse müssen von den anderen EU-Staaten kompensiert werden. Von diesen haben Luxemburg, Deutschland und Großbritannien bisher große Erfolge erzielt.

Tabelle 2: Reduktionsverpflichtungen nach dem Kyoto-Protokoll und bisherige Entwicklung bei den Vertragspartnern.
Vertrags­parteienVerpflich­tungen gemäß Kyoto-Protokoll in % Treib­hausgas-Emis­sionen 1) in MtVerände­rung von 1990 bis 2000 in %
19902000
Europä­ische Union-84 2164 072-3,4
Liechten­stein, Monaco, Schweiz-85453-0,8
Bulgarien, Estland, Lettland, Littauen, Rumänien, Slowakei, Slowenien, Tschechien-8832511-38,6
USA-76 1317 001+14,2
Japan-61 2471 358+8,9
Kanada-6607726+19,6
Polen, Ungarn-6666471-29,4
Kroatien-5k.A.k.A.k.A.
Neu­seeland±07377+5,2
Russland±03 0401 965-35,0
Ukraine±0919455-51,0
Norwegen+15255+6,3
Austra­lien+8425502+18,2
Island+1033+6,9
Summe-5,218 26517 250-5,6
1) CO2-Äquivalente ohne Landnutzung und Forstwirtschaft

Veränderung der Emissionen der Treibhausgase CO2, CH4, N2O, HFC, PFC und SF6 von 1990 bis 2000 ohne Landnutzungsänderung und Forstwirtschaft für Annex-I-Vertragsparteien
Bild 2: Veränderung der Emissionen der Treibhausgase CO2, CH4, N2O, HFC, PFC und SF6 von 1990 bis 2000 ohne Landnutzungsänderung und Forstwirtschaft für Annex-I-Vertragsparteien in %.

Ein Großteil der CO2-Emissionsreduktionen in Deutschland ist auf die Wiedervereinigung und die industriellen Umbrüche in der ehemaligen DDR zurückzuführen. In der gesamtdeutschen Bilanz sank hierdurch der Primärenergiebedarf. Vor allem der Bedarf an Braunkohle und Steinkohle ging zu Lasten von Naturgas und Erdöl zurück. Damit sanken die Kohlendioxidemissionen um etwa 15 %, zum Großteil zu Beginn der 1990er Jahre [10]. Deshalb kann Deutschland nur bedingt als klimapolitisches Vorbild gelten, denn selbst die umweltpolitisch gescholtenen USA hätten bei einer gemeinsamen Klimabilanz mit Russland einen Emissionsrückgang um nahezu 2 % aufzuweisen. Neben den CO2-Emissionen konnten in Deutschland die CH4-Emissionen von 1990 bis 2000 um rund 2,4 Mill. t (–45 %) gemindert werden. Zu dieser Reduktion haben die rückläufige Kohleförderung, die Verringerung der Tierbestände sowie verstärktes Recycling maßgeblich beigetragen. Darüber hinaus wirkte sich die Sanierung der Gasverteilungsnetze und die Brennstoffumstellung bei kleineren Feuerungsanlagen auf flüssige und gasförmige Brennstoffe emissionsmindernd aus [11]. Damit haben Veränderungen in der Energiewirtschaft auch zu rückläufigen Methanemissionen und der positiven Emissionsbilanz beigetragen.
Anders als Deutschland brachte Großbritannien trotz einer Steigerung seines Primärenergieverbrauches um 10 % seine vergleichsweise hervorragende Emissionsbilanz ohne Wiedervereinigungsgewinne zustande [12]. Ursache dafür waren vor allem die Umorientierung bei der Wahl der fossilen Energieträger und der Rückgang der Methanemissionen. Während in Großbritannien im Jahr 1990 Kohle noch 31,3 % des Primärenergiebedarfes deckte, sank dieser Anteil bis zum Jahr 2000 auf 16,3 %. Im gleichen Zeitraum stieg der Erdgasanteil von 24 auf 40,9 %. Da sich dieser Trend nur noch bedingt fortsetzen lässt, dürfte sich der starke Emissionsrückgang Großbritanniens in den nächsten Jahren nicht mehr fortsetzen. Weitere Emissionsreduktionen lassen sich nur noch durch einen Rückgang des Primärenergieverbrauches oder den vermehrten Einsatz kohlendioxidfreier Energieträger erreichen.
Die weltweiten Reduktionspotenziale eines rationelleren Energieeinsatzes sind beachtlich. Tabelle 3 verdeutlicht Ergebnisse des IPCC, wonach in den Sektoren Industrie, Gebäude und Transport bis zum Jahr 2020 Einsparungen von weit mehr als 50 % zu erzielen sind [3]. Bei einem Großteil der Einsparpotenziale im Gebäudesektor und bei einem Viertel im Industriesektor wären die Einsparungen auch betriebswirtschaftlich rentabel.

Tabelle 3: Weltweite CO2-Emissionen nach Sektoren und Reduktionspotenziale.
 Emis­sionen 1990 in GtC 1)Verän­derung von 1990 bis 1995 in %Reduk­tions­poten­zial bis 2010 in GtCReduk­tions­poten­zial bis 2020 in GtC
Gebäude1,65+1,00,7 bis 0,81,0 bis 1,1
Transport1,08+2,40,1 bis 0,30,3 bis 0,7
Indus­trie2,30+0,40,5 bis 0,71,3 bis 1,5
1) 1 t C entspricht 3,667 t CO2
Langfristige Perspektiven

Zur Nutzung dieser Einsparpotenziale müssen geeignete Konzepte gefunden und Standards fortschrittlicher Staaten auf andere Länder übertragen werden. Als Maßstab eignet sich beispielsweise das Verhältnis von CO2-Emissionen und Bruttosozialprodukt. So werden etwa in Deutschland 0,31 kg CO2 pro US-$, in den USA 0,63 kg CO2/US-$ und in China 2,88 kg CO2/US-$ emittiert, wohingegen Island nur 0,25 kg CO2, Norwegen 0,2 kg CO2 und die Schweiz nur 0,12 kg CO2 pro US-$ Bruttosozialprodukt freisetzen [13].
Ursachen für diese Unterschiede sind neben einer rationelleren Verwendung von Energie auch der unterschiedlich hohe Einsatz regenerativer Energien, die beispielsweise in Island und Norwegen fast vollständig den Elektrizitätsbedarf decken. Bei langfristig steigenden Energiepreisen hat eine geringere Energieintensität deutliche volkswirtschaftliche Vorteile. Darum werden sich Staaten wie die USA nur mittelfristig gegen Klimaschutzvereinbarungen sperren können, da ihnen sonst auch wirtschaftliche Nachteile drohen.
Die Tatsache, dass Emissionseinsparungen wegen sehr hoher Energieintensitäten einiger Länder kostengünstig zu erreichen sind, findet in den flexiblen Mechanismen des Kyoto-Protokolls Berücksichtigung. Diese ermöglichen, dass Staaten Emissionsreduktionen in anderen Ländern angerecht werden können, wenn sie hieran zum Beispiel finanziell mitgewirkt haben. Durch den Handel mit Emissionszertifikaten dürften vor allem die heutigen Vorreiterstaaten profitieren, die über eine Energiewirtschaft mit einer hohen Energieeffizienz verfügen. Dabei sollte jedoch berücksichtigt werden, dass selbst beim Erreichen der Kyoto-Ziele die weltweiten Emissionen aufgrund der starken Zuwächse in den Entwicklungsländern ansteigen werden. Sollten sich die Szenarien der Klimaforscher bewahrheiten, wird deshalb der Druck zu weiteren Einsparungen aufgrund von Umweltfolgen in den nächsten Jahrzehnten deutlich zunehmen. Dies könnte sich für Länder mit effizienter Energienutzung und einem Vorsprung bei der Nutzung regenerativer Energien dann sehr positiv auswirken.

Fazit

In den Industrie- und Schwellenländern verursacht die Energiewirtschaft den größten Teil der Treibhausgasemissionen. Die von den Annex-I-Staaten bisher erzielten Emissionsreduktionen wurden überwiegend durch die Energiewirtschaft erbracht. In der Summe haben diese Staaten die im Kyoto-Protokoll bis zum Jahr 2012 vereinbaren Emissionsminderungen bereits heute erreicht. Hauptursache hierfür ist jedoch der wirtschaftliche Umbruch in den ehemaligen Ostblockstaaten. Die meisten westlichen Staaten hingegen haben überproportionale Steigerungen zu verzeichnen. Einige wenige Staaten wie Großbritannien weisen aufgrund der Substitution des Brennstoffes Kohle durch das kohlenstoffärmere Erdgas einen gegenläufigen Trend auf.
Die Emissionen der Entwicklungsländer sind in den vergangenen Jahren viel stärker gestiegen als durch die Reduktionen der Annex-I-Staaten kompensiert werden könnte. Darum steigen auch die weltweiten Treibhausgasemissionen trotz Kyoto-Protokoll weiter an. Weitere Reduktionen durch Substitutionsmöglichkeiten von Kohle durch Erdgas sind begrenzt. Sollen die Emissionen der Annex-I-Staaten stabilisiert oder gar noch weiter zurückgeführt werden, müssen hierfür vorhandene Einsparpotenziale zügig erschlossen und mittelfristig CO2-neutrale Energieträger wie erneuerbare Energien im großen Stil genutzt werden. Andernfalls, so zeigen Szenarien der Klimaforscher, könnten die Folgen fatal sein. Ob sie damit recht haben, wird dann unser globales Experiment mit dem Weltklima beweisen.

Literatur

[1] Intergovernmental Panel on Climate Change IPCC: Climate Change 2001, Scientific Basis – Technical Summary, 2001.
[2] Intergovernmental Panel on Climate Change IPCC: IPCC Special Report Emissions Scenarios 2000.
[3] Intergovernmental Panel on Climate Change IPCC: Climate Change 2001 Synthesis Report. Wembley, 2001.
[4] DOE/EIA: International Energy Annual 2000. Washington, US Department of Energy 2002.
[5] Enquete-Kommission „Vorsorge zum Schutz der Erdatmosphäre“ des 11. Deutschen Bundestages (Hrsg.) : Schutz der Erdatmosphäre. Bonn: Economica Verlag, 1990.
[6] United Nations: United Nations Framework Convention on Climate Change. New York, 1992.
[7] Sekretariat der Klimarahmenkonvention (Hrsg.): Das Protokoll von Kyoto zum Rahmenübereinkommen der Vereinten Nationen über Klimaänderungen. Kyoto, 1997.
[8] Quaschning, Volker: Regenerative Energiesysteme. München: Carl Hanser Verlag, 3. Auflage, 2003.
[9] Sekretariat der Klimarahmenkonvention: Report on National Greenhouse Gas Inventory Data from Annex I Parties for 1990 to 2000, FCCC/SB/2002/INF.2, New Delhi, 2002. www.unfccc.de
[10] Bundesministerium für Wirtschaft (BMWi): Energiedaten 2002. Berlin, 2002.
[11] Umweltbundesamt (Hrsg.): Umweltdaten 2002. Berlin, 2002.
[12] UK Department of Trade and Industry (DIT): Digest of United Kingdom Energy Statistics 2002. Norwich, 2002.
[13] International Energy Agency (IEA): Key World Energy Statistics 2002. Paris, 2002.

Volker Quaschning

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