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Hochschule für Technik und Wirtschaft HTW Berlin
30. November 2021
Aus den Zielsetzungen des Pariser Klimaschutzabkommens ergibt sich ein nationales Restbudget an Kohlendioxidemissionen. Daraus kann abgeleitet werden, bis zu welchem Zeitpunkt Deutschland klimaneutral werden muss. Für den 1,5-Grad-Pfad ergibt sich das Zieljahr 2030. Zur Begrenzung der Erderwärmung auf 1,7 °C muss Deutschland bis spätestens 2035 die Klimaneutralität erreichen.
Bild 1 vergleicht die Ergebnisse mit den Zielen der Ampelkoalition.
Im Jahr 2020 deckten erneuerbare Energien gerade einmal 19,3 % des deutschen Endenergiebedarfs. Dieser Anteil muss zur Einhaltung des Pariser Klimaschutzabkommens spätestens in 15 Jahren auf 100 % gesteigert werden. Wieviel Photovoltaik in Deutschland dazu erforderlich ist, untersucht die vorliegende Studie.
Anhand von 3 verschiedenen Szenarien wurde der zukünftige Energiebedarf Deutschlands und der Wechsel zu fossilfreien Technologien modelliert. Darauf aufbauend wurden ein kohlendioxidneutrales Energiesystem entwickelt und die dazu erforderlichen Ausbaumengen der erneuerbaren Energien bestimmt.
Bild 2 stellt die Ergebnisse des in der Studie betrachteten Referenzszenarios dar und fasst die wichtigsten Bausteine und Rahmenbedingungen für die klimaneutrale Energieversorgung zusammen. Die Grundlage ist die weitgehende Elektrifizierung der Sektoren Verkehr, Gebäude und Industrie. Aus Effizienzgründen muss die Anzahl der Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor sowie der Öl-und Gasheizungen drastisch reduziert werden. Stattdessen müssen batterieelektrische Fahrzeuge den Verkehrssektor prägen und Gebäude überwiegend von effizienten Wärmepumpen beheizt werden. Ab 2025 sollten in Deutschland daher keine neuen Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor zugelassen oder neue Heizungssysteme mit Gas- oder Ölkesseln installiert werden. Unter diesen Rahmenbedingungen steigt im betrachteten Referenzszenario die Anzahl der Elektroautos auf 31 Mio. im Jahr 2035. Gleichzeitig ersetzen bis dahin etwa 12 Mio. Wärmepumpen konventionelle Heizungssysteme.
Die Ergebnisse der Studie zeigen darüber hinaus, dass die Energiewende in der Kürze der Zeit ohne grünen Wasserstoff nicht realisierbar ist. Dieser wird vor allem in nicht oder nur schwer elektrifizierbaren Bereichen eingesetzt und muss fossile Brennstoffe ersetzen. Im Referenzszenario wurde berücksichtigt, dass 60 % des Bedarfs an Wasserstoff und dessen Folgeprodukten importiert werden. Damit verlagert Deutschland bereits einen nicht zu vernachlässigen Teil seiner Verantwortung zur Einhaltung des Pariser Klimaschutzabkommens in die Exportländer.
Neben grünem Wasserstoff stellt die Windkraft eine weitere Säule der zukünftigen Energieversorgung dar. Wie die Ergebnisse dieser Studie zeigen, wird die Windenergie im Jahr 2035 etwa die Hälfte des Gesamtenergiebedarfs Deutschlands decken. Die installierte Windkraftleistung ist hierzu auf 200 GW an Land und 70 GW auf See zu erhöhen.
Die Rolle der Photovoltaik ist es, die Lücke zwischen dem Energiebedarf und der Energiebereitstellung der anderen erneuerbaren Energien zu schließen. Darauf aufbauend wurde in dieser Studie der erforderliche Photovoltaikausbau ermittelt. Im Referenzszenario müssen bis 2035 Photovoltaikanlagen mit einer Leistung von insgesamt 590 GW installiert werden, wie Bild 3 veranschaulicht. Die in Deutschland installierte Photovoltaikleistung muss somit verzehnfacht werden. Hierzu ist ein schneller Markthochlauf auf etwa 45 GW/a bis 2027 nötig. Der Vorteil von einem zunächst sehr ambitionierten Anstieg des Photovoltaikzubaus ist, dass der Photovoltaikmarkt später nicht in eine aus heutiger Sicht unrealistische Größenordnung wachsen muss.
Neben dem Abbau bürokratischer Hürden muss die neue Bundesregierung Maßnahmen in die Wege leiten, um einem massiven Fachkräftemangel vorzubeugen. Mitte des nächsten Jahrzehnts werden voraussichtlich mehr als 250 000 Fachkräfte in der Photovoltaikbranche tätig sein. Daher bedarf es einer breit angelegten Solarjoboffensive mit neuen Aus- und Weiterbildungsangeboten. Darüber hinaus sollte die Errichtung neuer Solarmodulproduktionsstätten in Europa unterstützt werden.
Klar ist auch: Die Umstrukturierung des Energiesystems hin zu hohen Anteilen erneuerbarer Energien erhöht den Bedarf an Flexibilitätsoptionen und Energiespeichersystemen. Der konsequente Ausbau der erneuerbaren Energien muss daher durch mehr Kurz- und Langzeitspeicher flankiert werden. Nur so kann Deutschland das Pariser Klimaschutzabkommen einhalten.