"Es schneit und friert in New York. Wir brauchen die globale Erwärmung", macht sich Donald Trump über den Klimawandel
lustig. Und die AfD bezeichnet in ihrem Wahlprogramm Kohlenstoffdioxid nicht als Schadstoff, sondern als "unverzichtbare
Voraussetzung für alles Leben". Beim Thema Klima dürften sich US-amerikanische wie auch deutsche Populisten also ziemlich
einig sein. Denn wenn man es genau nimmt, gibt es gar keinen Treibhauseffekt, sagt etwa der Klimaexperte
der AfD-Bundestagsfraktion. Und da es offensichtlich keinen Klimawandel gibt, brauchen wir natürlich auch
keine Energiewende!
Anfangs konnte man als Wissenschaftler über solche Aussagen noch müde lächeln. Inzwischen bleibt einem nur noch ein entnervtes Stöhnen, denn Populisten mannigfaltiger Couleur ist es gelungen mit kruden Argumenten das Leugnen des Klimawandels wieder salonfähig zu machen. Trump versucht damit, seine Klientel in den Bereichen Kohle-, Öl- und Gaswirtschaft vor dem massiven Gegenwind durch die globalen Klimaschutzbemühungen zu beschützen. Dass diese Rhetorik bereits Wirkung zeigt, merkte man etwa im Oktober 2017 in der Talkshow "Maischberger", in der die Moderatorin allen Ernstes die Frage stellte: "Glauben Sie an den Klimawandel?".
Wissenschaftler können über solche Diskussionen inzwischen nur noch ungläubig den Kopf schütteln. Genauso sinnlos wäre
die Frage "Glauben Sie an die Schwerkraft?". Spätestens der Versuch, schwerelos von einem Baum zu schweben, liefert am Ende
den eindeutigen und schmerzhaften Beweis. Physik ist nun mal keine Religion. Und die Physik kann uns zweifelsfrei aufzeigen,
dass Kohlendioxid die Abstrahlung der Wärmeüberschüsse von der Erdoberfläche ins Weltall im Infrarotbereich behindert.
Auch bei der normalen Bevölkerung sind die klimatischen Veränderungen durch stetig steigende Temperaturen und
Extremwetterereignisse ins Bewusstsein gerückt. Das Leugnen des Klimawandels ist daher kaum mehr mehrheitsfähig.
Gerade weil der Klimawandel in den vergangenen Jahren immer deutlicher zu Tage tritt, hat sich die Rhetorik vieler
Energiewendegegner in den vergangenen Jahren spürbar verändert. Sie bekennen sich inzwischen oft im ersten Satz mit
Nachdruck zum Klimaschutz und dem Pariser Klimaschutzabkommen, um im zweiten Satz mit zu erklären, warum eine schnelle
Energiewende aber leider nicht möglich ist, womit ihnen der viel beschworene Klimaschutz am Ende dann doch reichlich
egal ist.
Vor wenigen Jahren wurde meist noch das Kostenargument für dieses Ja-aber bemüht. Inzwischen sind die Kosten für neue
Windkraft- und Photovoltaikanlagen allerdings rapide gefallen. Und da sie nur noch unwesentlich über dem Börsenstrompreis
liegen, kann logischerweise ein massiver Ausbau erneuerbarer Energien den Strompreis nicht mehr zum Explodieren bringen.
Da sich noch nicht überall herumgesprochen hat, dass Solar- und Windstrom inzwischen billig sind, wird von Unwissenden
immer noch vereinzelt die Kostenkarte gezogen. Andere ignorieren die Kostensenkungen und argumentieren einfach mit alten und
überholten Zahlen weiter.
Werden die neuen Kostenrealitäten anerkannt, bringen selbsternannte Retter der deutschen Wirtschaft ein neues Argument
ins Spiel: Erneuerbare Energien müssten sich endlich dem Wettbewerb stellen. Kein Kernkraftwerk könnte im freien Wettbewerb
bestehen, wenn die Betreiber in unbegrenzter Höhe für mögliche Schäden haften müssten. Die Versicherungsprämien würden den
Strom schlicht zu teuer machen. Darum wälzt der Staat das Risiko einfach auf die Bürger ab. Und der Kohleausstieg wäre schon
längst abgeschlossen, wenn fossile Kraftwerke für ihre Klimafolgeschäden voll haften müssten. Rund 100 Euro betragen diese
laut Umweltbundesamt für eine Tonne Kohlendioxid. Bis zu zehn Cent pro Kilowattstunde müssten alte Braunkohlekraftwerke
berappen, um ihre Schäden zu kompensieren. Stattdessen werden unsere Kinder und Enkelkinder diese Rechnung übernehmen müssen.
In diesem völlig verzerrten Markt Wettbewerb einzufordern, ist schon reichlich absurd. Wenn erneuerbare nicht gegen fossile
Energien antreten können, dann wenigstens untereinander, lautet ein anderes Argument. Dabei gibt es zwischen Photovoltaik
und Windkraft Ausgleichseffekte, die den Bedarf an teuren Speichern minimieren. Sorgen wir nicht für einen gleichzeitigen
Ausbau beider Technologien, führt der geforderte Wettbewerb am Ende zu deutlichen Mehrkosten. Einige scheinen noch nicht
bemerkt zu haben, dass im Winter wenig Sonne scheint und im Sommer weniger Wind weht.
Eine weitere Argumentationslinie der Gegner zielt auf angeblich technisch unüberwindbare Hürden, wie den Ausbau der Netze
oder fehlende Speicher. Geht es um die schnelle und flächendeckende Einführung der Elektromobilität hadern selbst vermeintliche
Befürworter wie der grüne Ministerpräsident Winfried Kretschmann schnell mit der Energiewende. Schließlich kann es seiner
Meinung nach in Deutschland bis zum Jahr 2030 nicht gelingen, die nötige Ladeinfrastruktur aufzubauen. Vielleicht sollte die
deutsche Politik nicht dauernd versuchen, sich in gegenseitiger Visionslosigkeit zu überbieten, sondern stattdessen mal nach
China blicken. Hier ist 2030 kein Thema, denn bereits bis zum Jahr 2020 sollen geschätzte 16 Milliarden Euro in die
Ladeinfrastruktur investiert und rund fünf Millionen neue Ladepunkte geschaffen werden. Deutschland ist weiterhin damit
beschäftigt, über die Probleme der Energiewende zu debattieren, anstatt sie wie bei diesem Beispiel aus China einfach und
pragmatisch zu lösen.
Den Windenergieausbau möchten einige gerne stoppen, bis der nötige Leitungsausbau abgeschlossen ist. Leider, leider wird
das nun mal viele Jahre dauern. Selbst Angela Merkel erklärte den Leitungsbau zum vordinglichen Problem der Energiewende.
Doch wer dieses Totschlagargument bemüht, hat die künftigen Herausforderungen nicht wirklich verstanden. Sicher können
Leitungen bei der Verteilung erneuerbarer Energien helfen. Am 1. Januar dieses Jahres haben diese aber schon zeitweise den
gesamten deutschen Strombedarf abgedeckt. Verdoppeln wir die erneuerbare Stromerzeugung, haben wir über das Jahr gesehen
immer noch keine regenerative Vollversorgung. Doch temporär werden dann aus 100 Prozent erneuerbarer Abdeckung 200 Prozent.
Welche Leitung, bitteschön, kann hierbei Abhilfe schaffen? Anstatt sich nur auf den Leitungsneubau zu fokussieren, müssen
wir besser gestern als heute die Bereiche Sektorkopplung und Speicher massiv voranbringen. Doch auch bei den dringend
benötigten Speichern werden Zweifel gesät. Der Papst der Energiewendegegner, Hans-Werner Sinn, verwendet in seinem neuesten
Frontalangriff enorm viel Zeit für den Beweis, dass Pumpspeicherkraftwerke den Speicherbedarf der Energiewende nicht decken
können und ergo die Energiewende auf Basis von Solar- und Windkraftanlagen ein sinnloses Unterfangen sei. Nun bieten nur
Solar- und Windkraft ausreichend Potenziale zur klimaneutralen Deckung des deutschen Energiebedarfs. Darum ist es unbestritten,
dass der Speicherbedarf künftig explosionsartig ansteigen wird. Ein Faktor 1000 liegt da durchaus im Bereich des Möglichen.
Da wir schon Probleme haben, ein einzelnes großes Pumpspeicherkraftwerk wie im baden-württembergischen Atdorf durchzusetzen,
wird das Pumpspeicherkraftwerk natürlich nicht die tragende Säule der Energiewende sein. Schön, dass Herr Sinn das auch
verstanden hat.
Allen, die sich ernsthaft mit der Energiewende auseinandersetzen, ist klar, dass nur die Power-to-Gas-Technologie
ausreichend Speicherpotenziale für Deutschland bieten kann. Hierbei werden Überschüsse von Solar- und Windkraftanlagen in
erneuerbares Methan umgewandelt, das in den bereits existierenden Erdgasspeichern gelagert werden kann. Allein die bestehenden
Speicher in Deutschland reichen aus, um die Stromversorgung über viele Wochen sicherstellen zu können. Kommt es zur
berüchtigten Dunkelflaute, wird einfach aus dem Gas wieder Strom erzeugt.
Gerade weil diese Option das Speicherproblem für die Energiewende löst, wird sie von Energiewendegegnern als viel zu teuer
und ineffizient bezeichnet und erst gar nicht ernsthaft in Betracht gezogen. Es ist durchaus richtig, dass die
Gasspeicherung verlustbehaftet ist. Doch wer mit seinem Benzinauto im Stadtverkehr unterwegs ist, akzeptiert auch
widerstandslos Wirkungsgrade im Bereich von 20 bis 30 Prozent. Dagegen ist die Power-to-Gas-Technologie ein regelrechtes
Wirkungsgradmonster. Und dass Kernkraftwerke ebenfalls einen mageren Wirkungsgrad von gut 30 Prozent haben, war bislang für
die Effizienzfetischisten auch kein Problem. Für die Kurzzeitspeicherung sehen ausgereifte Konzepte sowieso deutlich
effizientere Speicher wie Batterien vor, sodass Power-to-Gas nur für die weniger häufig benötigte Langzeitspeicherung
gebraucht wird. Die dabei auftretenden Verluste sind überschaubar und das Gesamtsystem recht problemlos finanzierbar,
wie das Fraunhofer ISE bereits vor einigen Jahren mit einer Studie aufgezeigt hat.
Alle Ja-aber-Argumente der Energiewendegegner entpuppen sich am Ende als Scheinargumente, die den Ausbau erneuerbarer
Energien verhindern oder wenigstens verlangsamen sollen. Dahinter versammeln sich Unternehmen, die für eine neue
klimaverträgliche Welt schlecht aufgestellt sind, Menschen, die nach dem Sankt-Florians-Prinzip keine Veränderungen
durch die Energiewende vor der eigenen Haustür haben wollen oder notorische Skeptiker, die einfach prinzipiell dagegen sind.
Dabei stellt der Klimawandel die größte Bedrohung für die Menschheit dar. Ohne eine radikale Kehrtwende bei der
Energieversorgung wird die globale Durchschnittstemperatur bis Ende des Jahrhunderts um bis zu fünf Grad Celsius
emporschnellen, mehr als von der letzten Eiszeit bis heute. Ein rapider Anstieg der Meeresspiegel wäre nur eine der
extremen Folgen für die kommenden Generationen.
Mit dem Pariser Klimaschutzabkommen haben wir beschlossen, alle nötigen Maßnahmen zu ergreifen, um den globalen
Temperaturanstieg möglichst auf 1,5 Grad Celsius zu begrenzen. Dazu müsste unsere Energieversorgung allerdings bis
spätestens 2040 ganz ohne Erdöl, Erdgas und Kohle auskommen. Mit der aktuellen Energiepolitik wird Deutschland seine
Klimaneutralität - wenn überhaupt - erst weit nach dem Jahr 2100 erreichen und damit einen vorderen Platz bei den
Klimasündern einnehmen.
Wer das Bekenntnis zum Klimaschutz ernst meint, muss auch die nötigen Maßnahmen unterstützen. Wir brauchen eine
Verdopplung des Windenergie- und fast eine Verzehnfachung des Solarenergiezubaus, den schnellstmöglichen Abschied
von der Öl- und Gasheizung sowie von Benzin- und Dieselautos und den schnellen Ausbau von Energiespeichern.
Wer das alles nicht möchte, muss entweder einen Plan B für den Klimaschutz präsentieren oder sollte sich Donald Trump
beim Leugnen des Klimawandels anschließen.
Wer weiterhin den nötigen Maßnahmen mit einem Ja-aber die Unterstützung verweigert, trägt unmittelbar dazu bei,
dass wir auf eine Klimakatastrophe zusteuern. Daher müssen wir Scheinargumenten entschlossen entgegentreten. Wir müssen
uns aber auch an die eigene Nase fassen. Wer von uns ist selbst bereits ernsthaft auf dem Weg in eine baldige
Klimaneutralität, und wer hat nicht selbst ein paar kleine Ja-aber-Argumente, warum das nicht so schnell zu erreichen ist?
Immer wieder geht es um Kompromisse, in der internationalen und nationalen Klimadiplomatie. Teile der Erneuerbaren-Branche
haben sich lange Zeit nicht getraut, die für den Klimaschutz nötigen Zubaumengen zu kommunizieren. Und wer stellt schon
einfach so seine alltäglichen Gewohnheiten um, bei der Ernährung, im Verkehr oder im häuslichen Bereich. Angesichts der
gigantischen Probleme, die auf uns zukommen, wenn wir den Klimawandel nicht stoppen, sollten wir aber wagen, Visionen
zu entwickeln. John F. Kennedy sagte 1962 in seiner berühmten Rede zum Mondfahrtprogramm: "Wir werden es tun. Und ich denke,
dass wir zahlen müssen, was bezahlt werden muss." Nur sieben Jahre später landeten die Amerikaner auf dem Erdtrabanten,
obwohl viele Ja-aber-Sager das für absolut unmöglich gehalten hatten. Machen wir endlich Energiewende und Klimaschutz zu
unserem Mondprojekt.
Eine Vielzahl an Artikeln behandelt aktuelle Themen der Energiepolitik, des Klimaschutzes und des Einsatzes erneuerbarer Energien.
In verschiedenen Print-, Radio- und TV-Interviews nimmt Volker Quaschning Stellung zu aktuellen Fragen über die Energiewende und eine klimaverträgliche Energieversorgung.
Die weltweite Elektrizitätserzeugung regenerativer Kraftwerke steigt kontinuierlich an: Sie ist nun rund viermal so groß wie die der Kernkraft. Im Jahr 2023 konnte bereits über ein Drittel des Stromverbrauchs aus erneuerbaren Energien bereitgestellt werden. Moderne Anlagen auf Basis von Wind und Sonne laufen bald der klassischen Wasserkraft den Rang ab.
Die Kohlendioxidemissionen in Deutschland sind im Jahr 2023 gesunken: Gutes Wetter und schlechte Konjunktur sind die Treiber. Doch schon für 2024 wird von einem erneuten Anstieg der Treibhausgas-Emissionen ausgegangen. Das Einhalten der deutschen Klimaschutzziele für die Jahre 2030 und 2045 ist derzeit unrealistisch.
Im Jahr 2023 konnte weltweit erneut ein Rekord an neu installierter Photovoltaikleistung erreicht werden. Der Bestand an Solaranlagen wuchs um fast 400 Gigawatt. China ist davon für etwa 60% verantwortlich. Trotz des relativ starken Zubaus von 14 Gigawatt bleibt Deutschland international auf dem fünften Platz.