ETAgreen
Unter der Solar­dusche kommt Freude auf

Interview erschienen in ETAgreen 01/2011

Umweltschutz ist eine deutsche Erfindung. Das könnte man zumindest auf den ersten Blick annehmen. Wir haben die Grünen, die als Partei auf ökologischen Pfeilern fußt und bei aktuellen Umfragen an der 20-Prozentmarke kratzt. Wir sind Vorreiter im Bereich der regenerativen Energien, trennen sorgfältig den Müll, träumen von einem sauberen Planeten und hatten die Atomkraft schon fast abgeschafft. Seit 1994 verpflichtet das deutsche Verfassungsrecht in Artikel 20a des Grundgesetzes den Staat sogar dazu, die natürlichen Lebensgrundlagen zu schützen. Und trotzdem sieht es hinter der Fassade nicht immer rosig aus. etagreen sprach darüber mit Prof. Dr. Volker Quaschning, der sich mit den Deutschen und ihrer Umwelt intensiv auseinandergesetzt hat. Außerdem diskutierten wir über die Auswirkungen der neuen Solarkürzungen, wenig sinnvolle Zahlen der Bundesregierung und die Politik Europas und Chinas.

 

Herr Prof. Dr. Quaschning, in Ihrem aktuellen Buch „Mülltrenner, Müsliesser und Klimaschützer“ gehen Sie der Frage nach, ob wir Deutsche wirklich die Weltmeister im Umwelt- und Klimaschutz sind. Wie fällt Ihre Bilanz aus?

Wir sind in Fragen des Umwelt- und Klimaschutzes auf jeden Fall Weltmeister der Herzen. Beim näheren Hinsehen bröckelt leider dieses Image. Da gehen Dioxinschnitzel über die Ladentheke und sobald die Wirtschaft wie 2010 wieder brummt, steigen erneut die Kohlendioxidemissionen. Von außen betrachtet sind die Deutschen recht zwiespältig. Umweltschutz spielt bei uns traditionell eine große Rolle. Vielen ist er aber in Wirklichkeit eher lästig und kosten darf er auch nicht viel. Dabei kann Umweltschutz auch richtig Spaß machen. Ich bin seit vielen Jahren Vegetarier, zuhause gibt es fast nur Bioprodukte und wir versorgen uns natürlich zu 100 % aus erneuerbaren Energien. Lebensmittelskandale lassen einen da relativ kalt und wenn der Ölpreis wieder mal steigt und man unter der Solardusche steht, kommt richtig Freude auf.

Braucht unser Klima denn wirklich Schutz oder herrscht eine Art Klimahysterie vor?

Als die ersten Klimawarnungen durch die Presse gingen, waren viele tief schockiert. Mittlerweile hat man sich an die ständigen Klimahiobsbotschaften gewöhnt und geht lieber zum Tagesgeschäft über. Geändert hat sich bislang nicht viel: Jahr für Jahr gibt es neue Wetterrekorde. 2010 war das wärmste Jahr seit Beginn der Aufzeichnungen. Stoppen wir die Klimaerwärmung nicht, werden wir in einigen Jahrhunderten die Erde eisfrei bekommen und ganz Norddeutschland im Meer versenken. Wenn ich dieses Szenario an die Wand male, wirken alle wieder schockiert und hilflos. Das größte Problem sind jedoch die recht langsam verlaufenden Klimaveränderungen. Die meisten Politiker denken maximal nur bis zur nächsten Wahl. Bis dahin lässt sich mit Klimaschutz aber kein Blumentopf gewinnen. Dabei wissen wir heute, wie die Klimaveränderungen zu stoppen sind. Dazu müssen wir nur aufhören, den Klimaschutz halbherzig und lustlos zu betreiben und ihn als Jobkiller zu brandmarken. Klimaschutz macht Spaß und schafft mittelfristig auch jede Menge neuer Jobs.

2011 kommt es zu einer weiteren Kürzung der Solarsubventionen. Der große Aufschrei der Branche ist bislang ausgeblieben, man hört sogar Stimmen, die Kürzungen befürworten, damit die Branche auf eigenen Beinen stehen wird. Sind wir auf einem guten Weg?

Man stimmt der Kürzung eher zähneknirschend zu, um Schlimmeres zu vermeiden. Es gibt laute Rufe, den PV-Markt in Deutschland mit einem Deckel komplett abzuwürgen. Insofern ist das aktuelle Verhalten der Branche eher eine Vorwärtsverteidigung, nachdem man sich in den letzten Jahren durch übertriebene Warnungen vor einer Absenkung der EEG-Vergütung unglaubwürdig gemacht hat. Bis die Solarenergie in Deutschland komplett auf eigenen Beinen stehen kann, werden aber noch einige Jahre vergehen. Anstatt bis dahin weiterhin mit dem Rasenmäher auf das EEG loszugehen, sollte die Politik das Gesetz besser intelligent weiterentwickeln. Für einen wirksamen Klimaschutz müssen wir in den nächsten Jahren 100 GW oder mehr an PV-Leistung ins Netz integrieren. Die Einführung der dazu nötigen Maßnahmen haben wir bislang weitgehend verschlafen. Mit einer weiteren Rasenmäherkürzung drängen wir die PV-Anlagen immer mehr nach Süddeutschland. Da die Vergütung überall in Deutschland gleich ist, im Süden aber die Erträge deutlich höher sind, rechnet sich die PV dort auch bei größeren Kürzungen immer noch. Dann fordern wir den schnellen Bau teurer Netze, um den vielen Solarstrom nach Norddeutschland zu schaffen. Warum kürzt man die Vergütung nicht einfach nur in Süddeutschland und lässt sie im Norden unangetastet? So könnte man sich einige neue Leitungen und damit viel Geld sparen.

Wie sehen im Umkehrschluss die Ausbaumöglichkeiten der Photovoltaik aus und welchen Einfluss hat dies auf konventionelle Kraftwerke sowie eine nachhaltige Elektrizitätsversorgung im Allgemeinen?

Es ist zwar nicht unmöglich, auch ohne die Photovoltaik eine vollständig regenerative Energieversorgung in Deutschland aufzubauen. Das würde dann aber eine verstärkte Abhängigkeit von Importen bedeuten. Daher ist es sinnvoll, auch in Deutschland in größerem Maße auf die Photovoltaik zu setzen. Langfristig sehe ich in Deutschland eine installierte Leistung von 100 bis 200 GW. Unsere Energieversorgung wird sich dadurch aber fundamental ändern. In wenigen Jahren müssen wir uns dann von herkömmlichen Grundlastkraftwerken verabschieden und neue Technologien zur Speicherung und zur Laststeuerung verstärkt einführen. Um das durchzusetzen, sind aber noch viele Widerstände zu überwinden.

Das Energiekonzept der Bundesregierung vom September 2010 sieht aber für das Jahr 2030 lediglich eine installierte Photovoltaikleistung von 37,5 GW vor.

Je höher die Photovoltaikleistung wird, desto schwieriger ist die Integration von Kernkraftwerken ins Netz. Da die jetzige Bundesregierung – aus welchen Gründen auch immer – unbedingt eine Laufzeitverlängerung für Kernkraftwerke durchsetzen wollte, musste diese wenig sinnvolle Zahl ins Energiekonzept. Die Kernkraftlobby wird aber nicht mehr vermeiden können, dass wir im Jahr 2030 eine deutlich höhere Photovoltaikleistung sehen werden und damit auch zwangsläufig deutlich kürzere Laufzeiten für Kernkraftwerke.

Auch beim Wind kommt man nicht um das Thema Speicher und Netzausbau herum. Wie sehen Sie die Entwicklung in diesen Bereichen und wohin müssen wir uns bewegen?

Das betrifft nicht nur den Wind. Der Ausbau der Speicher und vor allem der Netze ist natürlich auch für die Photovoltaik und die Elektromobilität sinnvoll. Die heutigen Netze sind auf zentrale Großkraftwerke optimiert. Die muss man an die neuen Standorte von Solar- und Windkraftanlagen anpassen. Verteilen wir die regenerativen Energieanlagen gleichmäßiger über Deutschland, lässt sich einiges an Leitungen sparen. Windkraftanlagen gehören dazu ganz klar auch nach Süddeutschland und Solaranlagen in den Norden. Mit herkömmlichen Speichern wird man die Fluktuationen einer vollständig regenerativen Energieversorgung sicher nicht ausgleichen können. Mit intelligenten Netzen, Elektromobilität, thermischer Speicherung oder Methanisierung und Speicherung im Erdgasnetz gibt es aber viele neue Konzepte, die ausreichend Speicherpotenziale bei vertretbaren Kosten bieten.

Nationale Alleingänge versprechen immer weniger Erfolg. Benötigen wir nicht endlich ein gesamteuropäisches Energiekonzept?

Konventionelle Energieträger werden immer teurer und regenerative Kraftwerke immer billiger. In wenigen Jahren wird man konventionelle Kraftwerke ähnlich gut an den Mann oder die Frau bringen wie heutzutage einen neuen Röhrenfernseher. Länder und Firmen, die heute bei den neuen Technologien vorne mit dabei sind, werden die Global Player von morgen sein. Das hat man auch in China erkannt, wo man massiv in die Produktion und Installation regenerativer Kraftwerke eingestiegen ist. China ist heute das Land mit den meisten Windkraft- und Solarthermieanlagen. Wenn wir warten, bis ganz Europa sich einig ist, haben wir vermutlich bald keine Chance mehr, ganz vorne mitzuspielen. Insofern ist die Vorreiterrolle Deutschlands innerhalb Europas durchaus sinnvoll, auch wenn das bedeutet, dass wir später wieder einigen Spätstartern unter die Arme greifen müssen.

Das klingt einleuchtend. Würde dann aber nicht trotzdem die z.T. katastrophale Energiepolitik der USA und auch Chinas weiterhin bestehen bleiben? Umweltschutz wird dort nach wie vor nicht gerade großgeschrieben. Oder glauben Sie, dass Europa durch eine Art Vorreiter- und Vorbildrolle vielleicht sogar dazu beitragen könnte, dass sich die Politik der USA und Chinas weitreichend verändern würde?

Die Politik Chinas würde ich gar nicht als so katastrophal ansehen. Chinesische Solarmodule haben immerhin wesentlich mit dazu beigetragen, dass wir im Bereich der Photovoltaik die EEG-Vergütung gar nicht so schnell kürzen können, wie die Preise purzeln. Die regenerativen Energien konkurrenzfähig zu machen, ist mit Sicherheit die beste Klimaschutzmaßnahme. Dabei spielt China in der Welt eine wichtige Rolle, auch wenn Klimaschutz dabei sicher nicht das originäre Ziel ist. Dass alle immer noch auf die USA schielen, kann ich nicht nachvollziehen. Die USA sind auf dem besten Weg, nicht nur in der Energiepolitik von der weltweiten Entwicklung abgehängt zu werden. In Europa sollte man ruhig ein wenig selbstbewusster sein. Wir sind oftmals Vorreiter mit Ideen und Technologien und überlassen das Feld dann anderen: Gute Beispiele sind der Computer, das Internet oder der MP3-Standard– alles Erfindungen aus Europa. Die Hauptprofiteure sitzen heute aber woanders. Bleibt für uns zu hoffen, dass wir mit Techniken zur nachhaltigen Energieversorgung einen intelligenteren Weg gehen. Mit ihnen können wir das Klima retten und ganz nebenbei auch noch den Wohlstand von morgen sichern.

Vielen Dank für das Gespräch!

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